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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs
Autoren: Tania Douglas
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Nation
umbenennen.»
    Marie-Provence schüttelte lächelnd den Kopf. Letztes Jahr |30| noch hatte das Restaurant den Namen ‹Zum großen Voltaire› getragen. «Armer Georges, er glaubt immer noch, mit den Wölfen heulen
     zu müssen! Jedes Mal, wenn ich diese überdimensionale Kokarde sehe, die er tagein, tagaus an seiner Brust trägt, muss ich
     lachen.»
    «Sei nicht zu hart zu ihm. Er glaubt an die Revolution!», verteidigte Rosanne ihren Mann halbherzig.
    «Ja, weil er durch sie zu Wohlstand gekommen ist!» Marie-Provence machte eine ausholende Geste. «Nur durch die Revolution
     konnte er sich zum Wirt dieses seltsamen Gasthauses aufschwingen.
Robespierre, Licht der Nation
– pah! Ich hätte einen viel besseren Namen: Wie wär’s mit ‹Zur Gotteslästerung›?»
    «Pscht!», mahnte Rosanne. «Sei vorsichtig, ich habe Gäste! Du weißt, dass das Kirchengewölbe die Stimmen weit trägt.»
    Marie-Provence sah ergeben zu den verblichenen, fünfhundert Jahre alten Fresken hoch, die die Küchendecke zierten. Ihre Freundin
     hatte recht. Doch es fiel ihr nach wie vor schwer zu akzeptieren, dass die Regierung die Güter der heiligen Kirche – uralte
     Gotteshäuser wie dieses – an sich gerissen hatte, nur um sie anschließend für einen lächerlichen Preis an Menschen zu verkaufen,
     die sie für profane Zwecke entweihten. Georges hatte die Gelegenheit genutzt. Er war früher Koch einer Gräfin gewesen. Als
     diese sich schon in den ersten Tagen der Revolution nach Koblenz absetzte, hatte Georges sich geweigert, ihr zu folgen, und
     war sein eigener Herr geworden.
    Marie-Provence stand auf. «Ich muss weiter. Die anderen warten schon seit Stunden auf mich.»
    «Du hattest einen anstrengenden Tag?», fragte Rosanne einfühlsam.
    «Ich habe eine Stelle angenommen. Ich werde ab morgen jeden Tag nach Paris fahren.»
    «Jeden Tag? Aber Marie-Provence, das ist doch Irrsinn! Ist dir klar, in was für eine Gefahr du dich damit begibst?»
    «Ja, das ist mir klar!», antwortete Marie-Provence schärfer |31| als beabsichtigt. «Ich bin nicht wie die anderen, die nichts tun, als drüben im Schloss ihren Träumen nachzuhängen! Ich weiß
     sehr wohl, auf was ich mich einlasse, ich bin schließlich heute um mein Leben gerannt!»
    Rosanne wurde auf einen Schlag bleich. «Um Himmels willen!»
    Marie-Provence bereute augenblicklich ihren Ausbruch. «Entschuldige. Ich wollte dich nicht beunruhigen. Es ist vorbei, ich
     habe den Mann abgehängt.» Sie drückte die Schulter der Freundin. «Hab keine Angst, Rosanne. Deine Mutter ist sicher. Du weißt,
     ich würde sie nie verraten. Auch alle anderen im Schloss nicht.»
    «Aber jeden Tag nach Paris!»
    «Ich habe keine Wahl. Und wir werden das Geld gut gebrauchen können.» Marie-Provence hatte nicht vor, ihre wahren Gründe zu
     erläutern. Sie richtete sich auf. «Wo sind die Körbe mit den Vorräten?»
    Rosanne zog sie hinter einem Vorhang hervor. «Hier. Ich habe zwei Blumenkohlköpfe für euch beiseitelegen können. Die weißen
     Rüben sind etwas wurmstichig, aber dafür waren sie preiswert. Die Möhren sind aus dem eigenen Garten.»
    Marie-Provence wusste, dass Rosanne ihr Gemüse zwischen den verwitterten Gräbern neben der Kirche zog, und beäugte die kräftigen
     Wurzeln. «Kein Fleisch?», fragte sie, während sie die zwei Brotlaibe, die sie mitgebracht hatte, in die Körbe legte.
    «Nein. Die Rationierung erlaubt uns nur, so kleine Portionen zu kaufen, dass es Georges unweigerlich auffallen würde, wenn
     etwas fehlte. Es wird immer schwieriger, etwas aufzutreiben.»
    «Ich weiß. In Paris stehen die Frauen bis zu drei Stunden für ein Brot an.» Marie-Provence lächelte. «Vielleicht haben wir
     ja Glück, und ein Wild hat sich im Wald in einer der Schlingen verfangen.» Sie packte einen der schweren Körbe. «Danke, Rosanne.
     Soll ich deiner Mutter noch etwas ausrichten?»
    «Nein.» Rosanne schüttelte den Kopf und hievte den |32| zweiten Korb hoch. «Es reicht, wenn ich weiß, dass es ihr gutgeht.»
    «Es geht ihr gut. Willst du sie nicht einmal besuchen?»
    «Unmöglich. Georges wird sofort hellhörig, wenn ich auch nur eine Minute weg bin.»
    Marie-Provence runzelte die Stirn. «Du lässt dich von ihm unterdrücken.»
    «Er ist vielleicht ein bisschen dickköpfig und eifersüchtig. Aber zeigt das nicht, dass ihm etwas an mir liegt?»
    «Er ist nicht dumm, er weiß, dass du alles am Laufen hältst. Und ich weiß es auch.» Sie umarmte Rosanne. «Vielen Dank für
    
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