Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Tilman Röhrig
Vom Netzwerk:
mit dem Kopf nach Wien.«
    Mathias ließ sich in seine Zelle bringen. Am nächsten Tag weigerte er sich, in das Amtszimmer gebracht zu werden. Er saß auf der Strohmatratze und sog hastig an seiner Pfeife.
    Der Winter wurde nicht sehr kalt.

11.   Januar 1803
    Am 11.   Januar füllte Diepenbach gerade drei Gläser mit Branntwein. Mathias hatte eine Stunde von dem Daadener Überfall berichtet, er hatte erzählt, dass er nicht mitgehen konnte, weil seine Leisten zu stark geschwollen waren. Der öffentliche Ankläger fragte plötzlich: »Wie hast du deine Frau, die Gertrud Stucks, erschlagen?«
    Mathias trank sein Glas aus und hielt es Diepenbach hin. »Gib noch einen!« Er leerte das Glas mit einem Schluck. »Die Gertrud? Woher wisst ihr das?«
    »Wir haben die Leiche gefunden.«
    »Verdammt!« Mathias stand auf und ging hin und her. »Wir haben noch in der Neußer Furt gewohnt. Ich und der Conrad Jöppers, Niclas Schlager und Anton Heinze sind in einer Nacht auf einen Bruch gegangen, aber er ist nicht gelungen. Wie wir in die Neußer Furt zurückgekommen sind, hab ich in einem Garten Johannisbeeren für die Ursula gepflückt. Am Morgen setzt die Gertrud das Mädchen neben das Tuch mit den Johannisbeeren. Eine bleibt in seinem Hals stecken. Die Ursula weinte.« Mathias ballte die Fäuste. »Die Gertrud hilft ihr nicht, nein, sie haut ihr ins Gesicht. Das Kind fangt an zu schreien. Da hab ich Wut gekriegt und die Gertrud geschlagen. Nicht fest. Sie wehrt sich und reißt mich an den Haaren. Da bekomm ich noch mehr Wut und hab sie geprügelt, bis sie hingefallen ist und auch geweint hat. Ich hab mich hingekniet und sie in den Arm genommen. Ich hab sie hochgenommen. Aber nach ein paar Minuten hat sie den Kopf so schräg fallen gelassen, und da war sie tot.«
    Diepenbach hatte mitgeschrieben. Er sah zum öffentlichen Ankläger hinüber. Anton Keil zündete sich eine neue Zigarre an. »Weiter, was hast du dann gemacht?« – »Wie ich gesehen hab, dass sie tot ist, bin ich in die Scheune gerannt und hab mein Messer rausgezogen. Ich hab es schon an meine Brust gesetzt, da haben der Conrad Jöppers und Anton Heinze geschrien: ›Tu’s nicht, denk an dein Kind!‹ und haben mir das Messer aus der Hand geschlagen. Dann haben wir die Gertrud auf dem Feld begraben.« Mathias nahm die Branntweinflasche und setzte sie an den Mund, er trank gierig.
    Anton Keil rief nach den Wachsoldaten und befahl ihnen, den Gefangenen wieder in seine Zelle zu bringen. »Wir reden morgen weiter«, verabschiedete er sich.
    Mathias wandte sich in der Tür noch einmal um. »So muss es in dem Buch stehn. Ich wollt die Gertrud nicht umbringen. Ich hab sie lieb gehabt. Aber die Ursula – das ist mehr.«
    Kaum hatten die Wachsoldaten die Tür geschlossen, als Diepenbach rief: »Er lügt! Sie hätten ihn fragen sollen!« Anton Keil stützte den Kopf in seine Hände. »Ich weiß doch, wie es wirklich war. Er will es nicht erzählen. Er schämt sich. Ich werde ihn nicht mehr danach fragen.«

14.   Januar 1803
    Am 14.   Januar setzte Christine von Deutz aus mit der ›Fliegenden Brücke‹ über den Rhein nach Köln. Nachdem Mathias im vergangenen Juni verhaftet worden war, hatte sie noch am selben Tag die Herberge des Lauer verlassen müssen und war nach Neuwied in das Bordell zurückgekehrt, in dem sie Mathias kennen gelernt hatte. Zwei Tage nach Weihnachten war dann Belz aus der Haft entlassen worden. Von ihm hatte sie erfahren, dass Mathias in Köln im Gefängnis saß und täglich von dem öffentlichen Ankläger verhört wurde. Sie war gestern mit der Extrapost nach Deutz gekommen und hatte bei Mathes Spielmanns übernachtet.
    Christine verließ den Anlegeplatz. Sie ging durch die düstere Markmannsgasse über die Hohe Straße am Dom vorbei bis zum ›Kölner Hof‹. Hier fragte sie nach dem Amtszimmer des öffentlichen Anklägers.
    »Wer bist du?« Anton Keil saß an seinem Schreibtisch.
    »Ich bin die Frau vom Fetzer.«
    Diepenbach sprang auf und stellte sich an die Tür. Der öffentliche Ankläger zeigte auf einen Stuhl. »Nimm Platz. Was willst du?«
    »Den Mathias sehen. Ich will ihm sagen, wie es seiner Tochter geht.«
    »Gib mir deinen Korb.«
    Anton Keil schüttete den Inhalt auf seinen Schreibtisch. Zwischen Brot und Blutwurst fand er drei gekrümmte Nägel. Er lächelte knapp. »Du wirst dem Fetzer nichts zustecken. Am 17.   Februar wird ihm der Prozess gemacht, und ich werde ihn selbst in den Augustinersaal bringen.«
    Christine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher