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Die Baeren entdecken das Feuer

Die Baeren entdecken das Feuer

Titel: Die Baeren entdecken das Feuer
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hatte –, um mir mitzuteilen, daß J. D. Salinger nach Owensboro gezogen sei.
    »Moment mal«, sagte ich. Diese Sache geriet allmählich außer Kontrolle. »Wie kommt es, daß überhaupt keine Schriftstellerinnen nach Owensboro ziehen? Wie steht es zum Beispiel mit Ann Tyler? Oder Alice Walker? Oder Bobbie Ann Mason, die sogar aus Mayfield stammt (was gar nicht so weit entfernt liegt)? Wie kommt es, daß es nur Männer sind, und dann noch all diese alten Knaben?«
    »Erwartest du vielleicht von mir, daß ich sie das frage?« entgegnete Mutter. »Ich habe nur erfahren, daß der Verfasser von Der Fänger im Roggen hierhergezogen ist, weil Mr. Roth es Reverend Curtis erzählt hat.«
    »Mr. Roth?« Jetzt hieß es also schon ›Mr.‹ Roth.
    »Philip Roth, Goodbye, Columbus? Er hat das Haus von Reverend Curtis’ Sohn Wallace draußen in der Livermore Road gemietet, und du weißt doch, daß Reverend Curtis keine Schecks nimmt, und dann haben sie am Geldautomaten diesen merkwürdig aussehenden Mann gesehen, und Mr. Roth hat geflüstert: ›Das ist J. D. Salinger. Der Fänger im Roggen?‹ Alan sagt, er habe ausgesehen wie irgendein Hinterwäldler aus Ohio County, der kurz mal in die Stadt gekommen ist.«
    »Was hat Alan damit zu tun?«
    »Er stand auch in der Schlange am Geldautomaten. Hinter ihnen«, sagte Mutter. »Er hat zufällig alles mitgehört.«
    Am Montagabend erzählte mir Alan, es habe Philip Roth offenbar genauso überrascht wie alle übrigen, J. D. Salinger in Owensboro zu sehen.
    »Vielleicht sind sie alle nach Owensboro gezogen, weil sie versuchen, von ihm wegzukommen«, sagte ich mit der Absicht, witzig zu sein.
    »Das bezweifle ich«, erwiderte Alan. »Jedenfalls kann man sie wohl kaum danach fragen.«
    Meine Mutter sollte Alan heiraten, nicht ich. Sie haben genau die gleiche Denkweise.
    Als Mutters Geburtstag herannahte, versuchte ich mich auf das bevorstehende Wochenende in den Hamptons zu konzentrieren. Ich wußte, daß ich mich vor der Versuchung hüten mußte, in letzter Minute nach Hause zu fliegen.
    Als ich Janet später in der Woche aus dem Büro eines Rechtsanwalts (die achten nie auf ihre Telefonrechnungen) anrief, sagte sie: »Kennst du den Film Bright Lights Big City?«
    »Michael J. Fox ist nach Owensboro gezogen?« sagte ich mit unwillkürlichem Erstaunen.
    »Er nicht, der andere, der Autor. Seinen Namen habe ich vergessen.«
    »McInerney«, antwortete ich. »Jay McInerney. Bist du sicher?« Ich wollte es nicht aussprechen, weil es sich so snobistisch anhörte, aber Jay McInerney schien mir nicht gerade Owensboroer Format zu haben.
    »Selbstverständlich bin ich sicher. Er sieht genau wie Michael J. Fox aus. Ich habe gesehen, wie er in dem kleinen Park unten am Fluß spazierengegangen ist. Du weißt doch, der Park, wo sich Norman Mailer immer herumtreibt.«
    »Norman Mailer. Ich wußte nicht mal, daß er in Owensboro wohnt«, sagte ich.
    »Warum denn nicht?« entgegnete Janet. »Eine Menge berühmter Schriftsteller lassen sich in Owensboro nieder.«
    Lassen Sich In Owensboro Nieder. Zum erstenmal hörte ich, daß jemand es so ausdrückte. Das gab dem Ganzen irgendwie einen offiziellen Anstrich.
     
    Janets Anruf brachte mich ins Grübeln, und ich rief zum erstenmal, seit ich mich von ihm getrennt hatte, Alan an. Zumindest wußte er, wer Jay McInerney ist, auch wenn er das Buch nie gelesen hatte. »Die andere Janet behauptet, sie habe McInerney und Mailer im Park unten gesehen«, sagte ich. »Heißt das, die berühmten Schriftsteller treffen sich und klönen zusammen?«
    »Du mußt immer voreilige Schlüsse ziehen«, erwiderte Alan. »Es kann doch sein, daß sie zu völlig verschiedenen Zeiten des Tages im selben Park gewesen sind. Selbst wenn sie sich begegnen, reden sie nicht miteinander. Joe Billy Survant hat neulich E. L. Doctorow und John Irving in der Haushaltswarenabteilung von Woolworth gesehen. Sie haben sich zugenickt, aber das war auch alles.«
    John Irving? Doch darauf ging ich nicht weiter ein.
    »In der Haushaltswarenabteilung«, sagte ich statt dessen. »Hört sich so an, als ob die Leute sich wirklich häuslich niederlassen.«
    »Am Freitagabend führen wir deine Mutter anläßlich ihres einundfünfzigsten Geburtstags zum Dinner aus. Wir gehen in den Executive Inn«, sagte Alan.
    »Ich bin übers Wochenende in den Hamptons eingeladen«, entgegnete ich. »Na ja, fast in den Hamptons.«
    »Oh, ich verstehe«, sagte er. Alan bildet sich gerne ein, daß er mich versteht. »Aber
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