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Die Baeren entdecken das Feuer

Die Baeren entdecken das Feuer

Titel: Die Baeren entdecken das Feuer
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Einkaufszentrum gemacht?« fragte ich. »Belästigt sie dich wieder?«
    »Sie fühlt sich ein bißchen einsam. Ich schaue ab und zu bei ihr vorbei, und dann gehen wir einkaufen oder so. Ist das ein Verbrechen?«
    »Natürlich nicht«, sagte ich. Ich bin froh, daß meine Mutter Freunde hat. Ich wünschte bloß, daß es nicht ausgerechnet meine besten Freunde wären, mit dem gleichen Namen wie ich.
    Am nächsten Tag rief Mutter mich im Büro an. Ich habe sie gebeten, das nicht zu tun, wenn ich als Zeitsekretärin arbeite, aber manchmal funktioniert die Sache mit dem Münzfernsprecher nicht. Die meisten Firmen mögen es nicht, wenn Zeitsekretärinnen angerufen werden, auch nicht von Familienangehörigen. E. L. Doctorow war nach Owensboro gezogen und wohnte in Dr. Crippens Haus am Wildwood Drive, nur zwei Blocks entfernt.
    »Er trägt einen kleinen Bart«, sagte Mutter. »Er hat einen kleinen Hund, mit dem er regelmäßig jeden Tag Gassi geht. Er hat das Haus gemietet, solange Dr. Crippen und seine Frau in Michigan sind.«
    »Er ist also nicht eigentlich nach Owensboro gezogen«, sagte ich irgendwie erleichtert.
    »Nun ja, er ist jeden Morgen auf der Straße zu sehen«, erwiderte sie, »und geht mit seinem Hund Gassi. Nenn es, wie du willst.«
    Ich kenne das Haus sehr gut. Die Crippens sind nicht so großtuerisch und protzig wie andere Ärzte (die meisten eigentlich). Es waren die Crippens, die mich ermutigt hatten, meinen Plan in die Tat umzusetzen und nach New York zu ziehen, wenn mir wirklich der Sinn danach stand, während alle anderen in meiner Klasse heirateten. Es ist keines der älteren Gebäude von der Art, wie ich sie mag, aber wenn man schon in einem Haus im Vorortstil leben mußte, erfüllte es seinen Zweck.
    Den ganzen Tag stellte ich mir vor, wie E. L. Doctorow die Pflanzen goß und in Dr. und Dr. (sie sind beide Ärzte) Crippens Büchern herumstöberte. Von allen Einwohnern Owensboros besitzen sie die meisten Bücher. Am nächsten Tag ging ich in der Mittagspause zu Barnes and Noble und blätterte in Doctorows Romanen herum, die es als Paperback gab. Alle zusammen ergaben sie einen hübschen kleinen Stapel von der Größe eines Schuhkartons.
    Ich kam zu dem Schluß, daß ich mich über seinen Umzug nach Owensboro freute.
    In New York ist es schwer, Freundschaften zu schließen. Ich überlegte, wie es den berühmten Schriftstellern in dieser Hinsicht in Owensboro ergehen würde. Begegneten sie sich jemals? Kannten sie einander? Besuchten sie sich, fachsimpelten sie, tranken sie etwas zusammen? Ich fragte Alan danach, als er am Montagabend anrief (gleich nach Einsetzen des ermäßigten Tarifs), doch die Frage schien ihn in Verlegenheit zu bringen.
    »Anscheinend sind sie alle unabhängig voneinander hierhergezogen«, sagte er. »Man sieht sie nie zusammen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
    Als William Styron am letzten Tag im Mai nach Owensboro zog, überraschte mich das nicht so sehr. Zumindest stammte er aus dem Süden, obwohl man sich kaum zwei Regionen vorstellen kann, die unterschiedlicher sind als das untere Ohiotal und das Küstengebiet von Virginia. Im Mai und selbst im Juni ist es in Owensboro schön, doch Juli und August waren nicht mehr fern, und wenn ich mir vorstellte, wie die drückende schwüle Hitze Styron zusetzen würde, dann schien mir, daß er in Owensboro noch weniger am richtigen Ort war als städtische jüdische Schriftsteller wie Roth, Doctorow und Bellow. Und Updike, ein Neuengländer! Sie taten mir alle leid. Aber das war albern. Jedes Haus hat heutzutage Airconditioning.
    Als ich Janet anrief, erinnerte sie mich daran, daß Mutter bald Geburtstag hatte. Ich wußte, daß man erwartete, ich würde nach Hause fliegen. Janet erzählte mir in aller Ausführlichkeit, daß sie und Alan planten, sie zum Dinner auszuführen. Dadurch sollte ich ein schlechtes Gewissen bekommen. Ich hatte nicht die Absicht, wie letztes Jahr darauf hereinzufallen, in letzter Minute.
    In New York ist es sehr schwer, Freundschaften zu schließen. Meine Zimmergenossin und ihre frühere Zimmergenossin waren Mitbesitzer eines Hauses in den Hamptons (na ja, fast in den Hamptons) und hatten mich übers Wochenende eingeladen. Du kannst nicht jedes Jahr zum Geburtstag deiner Mutter nach Hause fahren, sagte ich mir.
    Einige Tage später rief Mutter mich an – wieder über einen Münzfernsprecher, und zwar den in der Nähe eines Feinkostgeschäftes in der Neununddreißigsten Straße, wo sie mich schon einmal erwischt
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