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Die Baeren entdecken das Feuer

Die Baeren entdecken das Feuer

Titel: Die Baeren entdecken das Feuer
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by Wilhelm Heyne Verlag, München • Aus dem Amerikanischen übersetzt von Irene Bonhorst
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Die beiden Janets
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    Ich gehöre nicht zu den Leuten, die glauben, man müsse ein Buch lesen, um etwas davon zu haben. Man kann eine Menge über ein Buch erfahren, indem man es in die Hand nimmt, es hin und her wendet, über den Umschlag streicht, es kurz durchblättert und wieder schließt. Vor allem, wenn es vorher oft genug gelesen worden ist, spricht es zu einem.
    Deshalb liebe ich es, mich während meiner Mittagspause in Buchantiquariaten herumzutreiben. Als meine Mutter anrief, befand ich mich gerade auf der westlichen Seite des Union Square, an dem Bücherstand, der seine Ware unter freiem Himmel in großen Kisten feilbietet. Es ist verlockend, hier zu behaupten, ich hätte in dem Moment ein altes Paperback von – sagen wir einmal – Hasenherz in der Hand gehabt, doch in Wirklichkeit handelte es sich um Henry Gregor Felsens Auf heißer Piste, wo einem die Frisur der Figuren auf dem Umschlag schon die ganze Story verriet.
    Der Münzfernsprecher an der Ecke, die der Sechzehnten Straße am nächsten war, klingelte und wollte gar nicht mehr aufhören. Schließlich nahm ich den Hörer ab und sagte: »Hallo? Mutter?«
    »Janet? Bist du das?« Meine Mutter hat die wirklich unheimliche Fähigkeit, mich auch zu erwischen, wenn sie mich über einen Münzfernsprecher anruft. Das macht sie etwa einmal im Monat.
    Nun, natürlich war ich es; hätte ich sonst mit ›Mutter‹ geantwortet? »Hattest du Schwierigkeiten, mich zu finden?« fragte ich.
    »Wenn du wüßtest. Ich habe drei Apparate angerufen, und bei den ersten beiden war es einfach unglaublich.« Es klappt nicht immer.
    »Wie geht’s denn so?« fragte ich. Eigentlich sagte ich ›jeht’s‹. Mein Dialekt, den ich ansonsten ganz gut in den Griff bekommen habe, stellt sich immer wieder ein, wenn ich mit jemand von zu Hause spreche.
    »Prima.« Sie erzählte mir von Alan, meinem Ex-Verlobten, und Janet, meiner besten Freundin. Früher nannte man uns immer ›Die beiden Janets‹. Mutter steht noch in Kontakt mit meinen alten Freunden von der High School, von denen die meisten natürlich nach wie vor in Owensboro leben. Dann sagte sie: »Rate mal, was passiert ist. John Updike ist gerade nach Owensboro gezogen.«
    »John Updike?«
    »Der Schriftsteller. Hasenherz? Ungefähr vor einer Woche. Er hat draußen am Maple Drive ein Haus gekauft, gegenüber vom Krankenhaus.«
    »Hat das in der Zeitung gestanden?«
    »Nein, natürlich nicht. Er will ganz sicher ungestört bleiben. Ich habe es von Elizabeth Dorsey gehört, deiner alten Musiklehrerin. Mary Beth, ihre älteste Tochter, ist mit Sweeney Kost junior verheiratet, der bei dieser neuen Firma in der Leitchfield Road Grundstücke verkauft. Sie hat angerufen, um es mir zu erzählen, weil sie dachte, es würde dich vielleicht interessieren.«
    Es ist allgemein bekannt, daß ich mich für Literatur interessiere. Ich bin nach New York gegangen, um eine Stelle im Verlagswesen zu finden. Meine Zimmergenossin hat bereits eine gefunden, bei S & S (Simon and Schuster), und bevor ich ins Büro zurückging, rief ich sie an. Sie macht nie vor zwei Mittagspause. Sie hatte nichts davon gehört, daß John Updike nach Owensboro ziehen würde, sah aber im PW (Publishers Weekly) nach und fand eine Notiz, in der es hieß, John Updike habe sein Haus in Massachusetts verkauft und sei in eine kleine Stadt im Mittelwesten gezogen.
    Das verdroß mich. Owensboro liegt zwar an der Grenze zu Indiana, auf der anderen Seite des Flusses, aber das ist immer noch der Süden und nicht der Mittelwesten. Auf dem Rasen vor dem Gerichtsgebäude steht das nördlichste Denkmal für die Helden der Konföderation. Ich bin bei solchen Dingen zwar nicht sonderlich empfindlich, aber andere Leute schon. Dann fiel mir ein, daß man, wenn man auf der Karte nachsah, wie man es in der PW- Redaktion zur Überprüfung oder wie Updike selbst es auf der Suche nach einem neuen Wohnort getan haben mochte, auf den Gedanken kommen konnte, Owensboro befinde sich im Mittelwesten, da es viel näher bei St. Louis als bei Atlanta liegt. Dann fiel mir ein, daß Updike vielleicht bloß ›Mittelwesten‹ gesagt habe, um die Leute auf eine falsche Fährte zu locken. Möglicherweise versuchte er, sich wie Salinger von der Welt zurückzuziehen. Dann dachte ich, er sei vielleicht gar nicht nach Owensboro gezogen und die ganze Sache sei lediglich ein Irrtum, ein Zufall, ein
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