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Die Aussortierten (German Edition)

Die Aussortierten (German Edition)

Titel: Die Aussortierten (German Edition)
Autoren: Udo Brandes
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Liebhaber guter Schokolade. Tauber kaufte allerdings nur allerfeinste und sehr teure Schokoladen. Für Besucher gab`s normalerweise, wenn überhaupt, neben den Keksen nur Standardschokolade aus dem Supermarkt. Aber dort im Schrank, das wusste de Wall, lagerte Tauber seine Edelschokoladen für den Selbstgebrauch. Wenn er daran ging, war er entweder nervös oder wollte jemanden zu etwas Heiklem überreden.
     
    „Wie war das Wochenende, Ulli?“
     
    „Danke, hab mich ganz gut erholt“.
     
    „Schon wieder daran gewöhnt, wieder in der Provinz zu leben?“
     
    „Oh ja. Du weißt ja, ich bin im Grunde ein Landei. Es hat zwar was, in einer Stadt wie Berlin zu leben. Es ist aber auch furchtbar anstrengend. Also ich halt es hier ganz gut aus. Zumal ich jetzt wirklich schön wohne.“
     
    „Freut mich, freut mich. Wie ich überhaupt froh bin, dich hier in dem Laden zu haben. Tja, mein Wochenende war nicht ganz so entspannt. Am Samstagmorgen, ich hatte noch nicht mal einen Bissen von meinem gerade fertig geschmierten Brötchen genossen, da klingelt um 9 Uhr das Telefon. Ich ärgere mich jetzt noch, dass ich überhaupt drangegangen bin.“
     
    „Ich ahne es“, warf de Wall ein. „Bestimmt einer von den Bossen. Was ist passiert? Hat das Oberbürgermeisterchen sich mal wieder beschwert, weil jemand gegen das Rathaus gepinkelt hat und die Mordkommission wegen Ermordung eines kulturellen Denkmals ermitteln soll?“
     
    „Nein, dieses Mal ist es nicht unser ehrenwerter Oberbürgermeister.“
     
    „Sondern?“
     
    „Bretendorp“.
     
    „Oh. Gott, der Gott der Oldenburger Wirtschaft. Was ist passiert? Ist er bei der jährlichen Waschzuberregatta der Kaufmannschaft in die Haaren gefallen und in einen Nagel getreten, der verbotswidrigerweise in der Haaren entsorgt wurde?“
     
    „Ulli, bitte etwas mehr Gleichmut, ja? Wir müssen nun mal bestimmte Rücksichten nehmen. So ist das nun mal. Sich immer wieder über die Nickeligkeiten unserer wunderbaren Elite aufzuregen, schadet nur der Gesundheit. Also, der PI-Leiter hat mich angerufen. Und er selber hatte das Glück, noch am Freitagabend vom Polizeipräsidenten angerufen zu werden. In der Muskatnuss, kennst du das Restaurant? Das gibt’s noch nicht so lange. Ist ein hervorragendes Restaurant.“
     
    „Ja, hab schon davon gehört.“
     
    „Also, in der Muskatnuss haben einige linke Aktivisten so etwas wie eine politische Demonstration durchgezogen. Sind mit einem Mordslärm reingekommen in den Laden und haben den dort anwesenden Herren – es waren nur Herren – vom Teller was weggegessen. Alle waren gleich angezogen, Jeans, blaue Kapuzenpullis, weiße Gesichtsmaske, Kapuze auf und weiße Handschuhe. Hinten auf dem Rücken aufgedruckt der Schriftzug ‚Die Aussortierten’. Bevor sie dann mit eigens mitgebrachten Gabeln vom Teller der Gäste gegessen haben, haben sie noch gesagt, sie würden jetzt Hartz-4-Bedarfshemeinschaften gründen“.
     
    Tauber und de Wall mussten beide kichern.
     
    „Na ja, kurz zusammengefasst: Es gab `ne kleine Rangelei   und dabei ist Dr. Bretendorp hingeknallt und hat sich an der Stuhllehne eine dicke Beule geholt und die Lippe aufgeschlagen. Hat richtig geblutet.“
     
    „Tja, und was hat das 1. FK damit zu tun? War doch schließlich kein Mord, kein Totschlag, keine schwere Körperverletzung, keine Brandstiftung, keine Vergewaltigung. Was haben wir damit zu tun? Wir haben doch schließlich wahrlich ein paar andere wichtige Dinge zu tun!“
     
    „Es ist ein Sonderauftrag.“
     
    „Ein Sonderauftrag?“
     
    „Ja. Du solltest den Organisationsplan noch mal genau anschauen. Ich habe damals bei der Umstrukturierung extra den Punkt ‚Sonderaufträge’ in den Aufgabenkatalog für das 1. Fachkommissariat aufgenommen, weil ich schon im Kopf hatte, dich auf den Posten zu holen“.
     
    „Mein lieber Mann, du denkst ja um hundert Ecken voraus. Warum bist du nicht in die Politik gegangen?“
     
    „Weil ich nicht von der Politik leben müssen will. Das korrumpiert. Ich will nicht meine politische Meinung ändern müssen, um meinen Job zu erhalten.“
     
    „Aber rausposaunen kannst du sie hier auch nicht. Dann wärst du doch nie geworden, was du bist.“
     
    „Stimmt. Aber ich bin auch nicht hier, um andere Leute zu missionieren. Und ich muss auch nicht ständig gegen Autoritäten rebellieren.“
     
    „Jawohl Papa“, dachte de Wall still und sagte dann laut: „Also, kommen wir zur Sache. Eine Frage, nicht um dir zu
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