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Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June

Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June

Titel: Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June
Autoren: Robin Benway
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sie jeden Moment durch die Haut an ihren Armen pieksen. Aber wenn sie einen mal ausnahmsweise nicht finster anguckt, kann man sehen, dass sie eigentlich hübsch ist. Sie könnte sogar schön sein, wenn ihre Wangenknochen nicht an Messerklingen erinnern würden.
    Man könnte auch sagen, dass Mays Ausstrahlung einem subtil mitteilt: »Ey, sieh dich vor, Schlampe«. Was wahrscheinlich erklärt, weshalb ihr Freundezähler sich so um Null eingependelt hat.
    Â»Deine Fahrkünste sind wohl besser, oder was?«, schnaubte ich und setzte den Blinker, obwohl wir noch anderthalb Querstraßen von der nächsten Kreuzung entfernt waren.
    Â»Hört mal«, regte June sich auf, ohne auch nur ansatzweise auf unser Gezeter einzugehen. »Eins weiß ich jedenfalls. Im Tierreich isses so, wenn man sich da nicht anpasst, stirbt man. Nennt man Darwinismus, könnt ihr ja mal nachlesen.«
    May prustete los. »Diese Biostunde wurde Ihnen präsentiert von ›Kein Scherz –, platt und banal wie immer‹.«
    Als wir an die Kreuzung kamen, drosselte ich das Tempo leicht, obwohl die Ampel auf Grün stand. »Was machst du denn schon wieder?«, kreischte May hysterisch. »Die Ampel ist grün! Was gibt’s da noch zu überlegen?«
    Â»In meinem Englischkurs ist so ein Mädchen …«, fuhr June fort. Wenn die mal ein Gedanke gepackt hat, quatscht sie ohne Punkt und Komma. Wäre sie an Bord der Titanic gewesen, hätte sie sich wahrscheinlich immer noch darüber ausgelassen, dass das Orange der Schwimmweste so gar nicht zu ihrem Teint passt, während alle anderen sich schon an die Eisberge geklammert hätten.
    Â»Ich fahre langsamer, weil das bei Annäherung an eine Kreuzung am sichersten ist«, fauchte ich May an. »Und was hast du hier eigentlich zu melden? Du hast ja nur ’nen Lern- Führerschein und keinen richtigen.«
    May ließ ihren Kopf bedächtig gegen die Kopfstütze fallen.
    June holte noch nicht mal Luft. »Jedenfalls ist sie in meinem Englischkurs? Und sie heißt Mariah? Sie ist in der Zehnten, also in deiner Klassenstufe, May? Und sie ist wirklich cool und …?«
    Â»Und wieso?«, unterbrach sie May. »Klingt eigentlich alles? Wie eine Frage? Wenn du redest?«
    Â»Jedenfalls«, plapperte June ungerührt weiter (aber ich konnte erkennen, wie sie auf dem Rücksitz rot anlief), »heißt sie Mariah und …«
    Â»Mariah«, kommentierte May, »reimt sich verblüffend gut auf ›Au weia!‹. Kannst ja mal drüber nachdenken.«
    Â»Klar, da bist du ja die Expertin«, regte June sich auf, doch als wir die Kreuzung überquerten, verzog sie auf einmal das Gesicht, als hätte sie auf was Ekliges gebissen. Ich sah, wie sie durchs Autofenster einen Obdachlosen beobachtete und sich schüttelte.
    Â»June, das find ich jetzt aber ziemlich uncool«, schimpfte ich. »Bloß weil er obdachlos ist, heißt das doch nicht, dass man ihn verachten darf.«
    Â»Und wir bedanken uns auch für Ihren Beitrag, Fräulein Menschenfreund«, säuselte May.
    Â»Ich hab doch überhaupt nichts gesagt«, beschwerte sich June, aber ihre Stimme war schon wesentlich leiser und von ihrer Mariah faselte sie auch nicht mehr.
    Â»War auch gar nicht nötig«, erwiderte ich. »Hat völlig gereicht, dein Gesicht zu sehen, und ehrlich mal, ich finde … Hey, Moment, bist du echt nicht angeschnallt?«
    Â»Ups.« June zog den Sicherheitsgurt um sich herum. »Mein Fehler.«
    Â»Mein Ende, solltest du wohl lieber sagen. Weißt du nicht, dass die meisten Unfälle in der Nähe der Wohnung passieren? Dass wir …«
    Und in dem Augenblick wusste ich, dass ich die Spur wechseln musste. Hinter meinen Lidern zeichneten sich Bremslichter ab, wie eine Erinnerung an etwas, das noch nicht geschehen war. Ich umklammerte das Lenkrad, riss das Auto auf die linke Spur, meine Schwestern schrien auf und klammerten sich an ihren (glücklicherweise angelegten) Sicherheitsgurten fest. Keine zwei Sekunden später leuchteten Bremslichter auf, und wir fuhren an einem Unfall vorbei, der sich gerade ereignete, genau so, wie ich es gesehen hatte.
    June fasste sich als Erste. »Wenn ich jetzt ’ne Halskrause tragen muss, bring ich dich um«, zeterte sie.
    May starrte mich nur mit riesigen Augen an. »Was zur Hölle war das denn?«, keuchte sie.
    Â»Ich … ich weiß
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