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Die Auserwaehlte

Die Auserwaehlte

Titel: Die Auserwaehlte
Autoren: Raymond E. Feist
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die Augen zusammen, als er mit seiner Erzählung fortfuhr. »Wir waren deutlich in der Unterzahl. Euer Vater wußte es – wir alle wußten es –, aber er verhielt sich ehrenhaft. Ohne Widerrede folgte er dem Befehl. Wir griffen an. Der Unterkommandeur hatte versprochen, uns an der rechten Flanke zu unterstützen, doch seine Truppen tauchten niemals auf. Statt einen koordinierten Angriff mit unseren Truppen durchzuführen, behaupteten die Krieger der Minwanabi ihre Stellung, als wollten sie sich auf einen Gegenangriff vorbereiten. Tasaio hatte es so befohlen. Doch genau in dem Augenblick, als wir von einem Gegenangriff fast überwältigt wurden, kam Unterstützung aus dem Tal. Es waren Teile der Streitkräfte unter dem Banner von Omechkel und Chiminko. Sie hatten keine Ahnung von dem Verrat und kämpften tapfer, um uns aus dem Griff der Barbaren zu befreien. Dieses Mal griffen die Minwanabi an, als versuchten sie den Gegenangriff zurückzuschlagen. Sie trafen genau in dem Moment ein, als die Barbaren sich zurückzogen. Für alle, die nicht von Anfang an dabeigewesen waren, war es einfach nur ein mißglückter Zusammenprall mit dem barbarischen Feind. Doch die Acoma wissen, daß die Minwanabi sie verraten haben.«
    Mara kniff ihre Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, und ihr Mund verkrampfte sich. Für einen kurzen Augenblick verriet Keyokes Gesicht seine Sorge, das Mädchen könnte das Andenken ihres Vaters beschmutzen und zu weinen beginnen, bevor die Tradition es ihr gestattete. Aber als Mara dann sprach, hatte sie ihre Wut unter Kontrolle, und ihre Stimme klang ruhig. »Das heißt also, der Lord von Minwanabi nutzte die Gunst des Augenblicks und fädelte den Tod meines Vaters ein, trotz unserer Allianz in der Kriegspartei?«
    Keyoke rückte seinen Helm zurecht. »In der Tat, Mylady Jingu von den Minwanabi muß Tasaio befohlen haben, die Anweisungen des Kriegsherrn zu ändern. Jingu ist sehr kühn; der Zorn des Kriegsherrn und ein unehrenhafter Tod wären Tasaios Lohn gewesen, wenn unsere Armee die Position gegen die Barbaren verloren hätte. Doch Almecho braucht die Unterstützung der Minwanabi bei der Eroberung, und wenn er auch wütend auf Jingus Neffen ist, so verhält er sich doch ruhig. Er hat nichts verloren. Nach außen hin war es lediglich ein Unentschieden ohne Sieger und Besiegten. Aber innerhalb des Spiels des Rates war es der Triumph der Minwanabi über die Acoma.« Zum ersten Mal in ihrem Leben glaubte Mara einen Hauch von Gefühl in Keyokes Stimme zu hören. Beinahe bitter sagte er: »Auf Befehl Eures Vaters sollten Papewaio und ich nicht an dem Angriff teilnehmen. Er befahl uns, mit dieser kleinen Kompanie zurückzubleiben – und trug uns auf, Euch zu beschützen, sollten sich die Dinge so entwickeln, wie sie es dann taten.« Er zwang seiner Stimme wieder den gewohnt forschen Ton auf. »Lord Sezu wußte, daß er und Euer Bruder diesen Tag vermutlich nicht überleben würden.«
    Mara sank in die Kissen zurück. Ein dicker Knoten bildete sich in ihrem Magen. Ihr Kopf schmerzte, und sie spürte, wie sich ihre Brust zuschnürte. Sie nahm einen tiefen, langen Atemzug und blickte durch die andere Öffnung der Sänfte, wo Papewaio mit einem bemüht ausdruckslosen Gesicht marschierte. »Und was sagt Ihr dazu, mein kühner Pape?« fragte sie. »Wie sollen wir auf den Mordanschlag reagieren, den sie unserem Haus zugefügt haben?«
    Papewaio kratzte sich geistesabwesend mit dem linken Daumen über die Narbe an seinem Kinn, wie er es oft in Zeiten großer Anspannung tat. »Wie Ihr wünscht, Mylady.«
    Die Haltung des Truppenführers der Acoma war oberflächlich betrachtet ungezwungen, doch Mara spürte, daß er am liebsten seinen Speer und das blanke Schwert in den Händen gehalten hätte. Einen stürmischen, wütenden Augenblick dachte Mara an sofortige Vergeltung. Auf ihren Befehl hin würde Papewaio den Lord der Minwanabi in seiner eigenen Domäne angreifen, inmitten seiner Armee. Doch obwohl der Krieger es als Ehre auffassen würde, bei einer solchen Tat zu sterben, wischte sie den dummen Impuls beiseite. Weder Papewaio noch irgendein anderer in der grünen Rüstung der Acoma würde sich dem Lord der Minwanabi auch nur auf einen halben Tagesmarsch nähern können. Abgesehen davon sollte eine solche Treue, wie Papewaio sie besaß, streng bewacht, niemals jedoch verschwendet werden.
    Nicht mehr den prüfenden Blicken der Priester ausgesetzt, studierte Keyoke Maras Gesicht. Sie begegnete seinem Blick und
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