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Die Auserwaehlte

Die Auserwaehlte

Titel: Die Auserwaehlte
Autoren: Raymond E. Feist
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überquerten immer wieder leuchtend bemalte Brücken, da der Strom, der den Sumpf mit Wasser versorgte, unablässig jeden Weg kreuzte, den die Menschen gebaut hatten. Sie kamen zu einem Gebetstor, einem herrlich bemalten Bogen, den wohlhabende Männer einst hatten errichten lassen; es war ein Zeichen des Dankes für den Segen der Götter. Als die Reisenden unter dem Bogen hindurchkamen, sprachen alle ein stilles Dankesgebet und wurden dafür mit einem kleinen Segen belohnt. Und als das Gebetstor hinter ihnen immer kleiner wurde, erkannte Mara, daß sie in der vor ihr liegenden Zeit auf die ganze Gnade der Götter angewiesen war, wenn die Acoma überleben sollten.

    Die Gruppe verließ die Straße und wandte sich ihrem eigentlichen Ziel zu. Shatra-Vögel suchten in Thyza-Halmen nach Futter, pickten vornübergebeugt wie alte Männer nach Insekten und Larven. Weil die Schwärme für eine gute Ernte sorgten, wurden die leicht dümmlich aussehenden Geschöpfe als Zeichen des Glücks betrachtet. Als solches schätzten auch die Acoma sie, und so waren die Shatra zum zentralen Symbol auf dem First des Hauses geworden. Der vertraute Anblick der Shatra-Vögel mit den staksigen Beinen und den sich unaufhörlich bewegenden spitzen Ohren vermochte Mara jedoch nicht zu erheitern; sie empfand vielmehr eine tiefe Furcht, da die Vögel und Arbeiter ihr ankündigten, daß sie das Gebiet der Acoma erreicht hatten.
    Die Träger wurden jetzt schneller. Oh, wie sehr wünschte Mara, sie würden langsamer werden oder sich umdrehen und sie an einen ganz anderen Ort bringen. Doch ihre Ankunft war bereits von den Arbeitern bemerkt worden, die in den Wäldchen zwischen den Feldern und den Wiesen in der Nähe des großen Hauses Reisigbündel sammelten. Einige riefen etwas oder winkten, während sie gebeugt von dem Gewicht der Holzbündel, die auf ihrem Rücken lagen und mit einem Band an ihrer Stirn befestigt waren, vorbeigingen. Wärme lag in ihrem Gruß, und trotz der Umstände ihrer Rückkehr verdienten sie mehr als nur Unnahbarkeit von ihrer neuen Herrin.
    Mara riß sich zusammen und richtete sich auf; sie lächelte leicht und nickte ihnen zu. Um sie herum breiteten sich ihre Ländereien aus, die sie beim letzten Mal mit der Gewißheit betrachtet hatte, niemals wieder zurückzukehren. Die Hecken, die bearbeiteten Felder und die ordentlichen Nebengebäude, in denen die Arbeiter wohnten, waren unverändert. Allerdings war sie ja auch nur etwas weniger als ein Jahr fort gewesen, dachte sie dann.
    Die Sänfte passierte die Needra-Wiesen. Die mittägliche Luft war erfüllt vom kläglichen Muhen der Herde und von den »Ho-ho-ho«-Rufen der Hirten, die mit ihren Stachelstöcken herumwedelten und die Tiere auf die Pferche zutrieben, wo sie nach Parasiten abgesucht werden würden. Mara betrachtete die grasenden Kühe. Die Sonne ließ ihr graues Fell goldgelb schimmern. Einige hoben ihre stumpfen Mäuler, als stämmige Bullenkälber Angriffe vortäuschten, dann aber auf ihren sechs kurzen Beinen davontrotteten und hinter ihren Müttern Schutz suchten. Mara schien es, als würden einige fragen, wann Lano käme, um seine wilden Spielchen mit den übellaunigen Zuchtbullen zu treiben.
    Der Schmerz des Verlustes wurde immer stärker, je näher sie ihrem Heim kam. Mara zwang sich zu einem tapferen Gesichtsausdruck, als die Sänftenträger in den weiten, von Bäumen gesäumten Weg einbogen, der zum Herzen ihrer Güter führte.
    Vor ihr lag das große Herrenhaus, errichtet aus Balken und papierdünnen Läden, die jetzt genug zurückgeschoben waren, um in der Mittagshitze auch noch die kleinste Brise hereinzulassen. Mara fühlte, wie ihr der Atem stockte. Es sprangen keine Hunde zwischen den Akasi-Blumen umher. Sonst warteten sie mit heraushängenden Zungen und wedelnden Schwänzen auf die Rückkehr des Herrn des Hauses. In seiner Abwesenheit blieben die Tiere immer in der Hundehütte; jetzt war die Abwesenheit endgültig. Dennoch, so verzweifelt und leer ihr Heim auch ohne ihren geliebten Vater und Bruder schien, bedeutete es doch endlich die Ruhe der Abgeschiedenheit. Bald würde Mara sich in den Heiligen Hain zurückziehen und ihrer Trauer freien Lauf lassen können, die sie in diesen anstrengenden sieben Tagen so lange hatte in ihrem Innern verbergen müssen.
    Als die Sänfte und ihr Gefolge an einer Baracke vorbeikamen, stellten sich die Soldaten der Heimatgarnison entlang des Weges auf und nahmen Haltung an. Ihre Rüstungen glänzten, die Waffen und
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