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Die Aufsteigerin

Titel: Die Aufsteigerin
Autoren: Martina Cole
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leiser und ließ die sanften Klänge der Kirchenmusik an sich vorbeirauschen. Sie konnte Cathys Stimme aus der Küche hören, wo sie das Huhn für ihr Weihnachtsessen zubereitete. Das Lachen des jungen Eamonn vermischte sich mit dem ihrer Tochter, und einen Moment lang lächelte sie zufrieden. Dann fiel ihr wieder ein, dass der Vater des Jungen letzte Nacht nicht nach Hause gekommen war, und ihr verging das Lächeln.
    Immer öfter blieb er in letzter Zeit fort, und Madge Connor, die sich rühmte, einen Braten schon zu riechen, bevor er in den Ofen geschoben war, musste sich eingestehen, dass es zum Himmel stank. Dass Eamonn sich ab und an mal einen Fehltritt leistete, daran war sie gewöhnt, aber mit dieser Wachtel lief es schon seit Wochen, und daher musste es was Ernstes sein.
    Nach fünf Jahren ging er also seiner Wege. Das wusste sie im Herzen so gut, wie sie den eigenen Namen kannte. Brennende Tränen traten ihr in die blassblauen Augen, und ihr Kinn bebte bedrohlich. Sie griff noch mal zum Scotch und zwang sich, die Fassung zu bewahren.
    Cathy kam ins Zimmer und brachte ihr ein Schinkensandwich und eine Tasse Kaffee. »Hier, Mom, etwas zum Frühstück.« Sie bemerkte das leere Glas in der Hand der Mutter und verdrehte
die Augen. »Mom, du hast es doch versprochen. Kein Alkohol vorm Abendessen. Mrs. Cartwright in der Schule sagt, wenn man tagsüber trinkt, hat man ein Problem mit …«
    Madge fiel ihrer Tochter barsch ins Wort. »Zum Teufel mit der dämlichen Mrs.-Weiß-alles-besser-Cartwright! Wenn ich am Weihnachtstag einen Drink will, dann nehm ich mir einen. Kapiert?«
    Cathy erblasste bei dieser aggressiven Tirade, und bei Madge rührte sich ganz kurz das Gewissen. Es war der Alte, der sie wütend machte, nicht ihre Tochter. Als Cathy in die Küche zurückging, rannen ihr die unterdrückten Tränen nun doch übers Gesicht.
    Wo mochte er stecken, ihr irischer Macker, dieser Mistkerl? Weihnachten und keine Spur von ihm.
    In der Küche trank Cathy ihren Kaffee und zog an ihrer Zigarette. Mit zwölf sah sie aus wie fünfzehn und wusste das sehr wohl. Seit sie denken konnte, hatte sie schon älter gewirkt, als sie war. Jetzt pfiffen sie ihr auf der Straße nach und nannten sie »Schulmädchenluder«.
    »Weißt du, wo dein Vater steckt, Eamonn?«
    Der Junge, der mit fünfzehn schon an die zwei Meter groß war, zuckte gleichgültig die Achseln. »Wenn ich’s wüsste, würde ich’s ihr eh nicht sagen. Wozu auch? Du weißt doch, wie mein Dad ist - irgendwann kommt er nach Hause, sie prügeln sich, und das wär’s dann bis zum nächsten Mal.«
    Cathy nickte. Sie drückte die Zigarette aus und sah nach dem kleinen Huhn im Backofen.
    »Riecht ja gut, Mädchen.«
    Cathy lächelte. »Ich weiß! Eamonn, darf ich dich was fragen, und du lachst mich bestimmt nicht aus?«
    Der Junge nickte, bereits ein breites Lächeln auf den Lippen. Mit seinem Vater teilte er das blendende Aussehen der schwarzhaarigen Iren.
    »Würdest du je heiraten?«

    Er schüttelte entschieden den Kopf. »Nicht in tausend Jahren, Cath. So was wie das hier mein Leben lang mitmachen? Ich denk nicht dran! Ich bin weg, Kleine, sobald ich meine eigene Knete verdienen kann.«
    Sie zündete sich die nächste Zigarette an. »Ich will heiraten und ein hübsches Haus haben und zwei Kinder. Ich will einen Garten mit schönen Blumen darin und einen Ehemann, der mich über alles liebt und regelmäßig arbeiten geht. Und ich koche ihm die schönsten Sachen, und er kann gar nicht aufhören, mich zu küssen …«
    Ihre Worte klangen wehmütig, und statt sie auszulachen, legte Eamonn ihr den Arm um die Schultern und hätschelte sie. »Und genau das alles wirst du auch bekommen.«
    Cathy zog an ihrer Zigarette und schüttelte den Kopf. »Nein, werde ich nicht. Jeder anständige Kerl würde vor ihr da drinnen Reißaus nehmen, und ich könnte es ihm nicht mal verdenken. Weißt du, was Desmond Blackburns Vater neulich zu mir gesagt hat? ›Mädchen, du wirst schon bald die Röcke raffen wie deine Mutter, und ich steh als Erster in der Schlange.‹ Der geile Bock! Ich hab ihm gesagt, er soll’s sich selbst besorgen, so sauer war ich, und er hat nur gelacht und gemeint: ›Auf die Sprache verstehst du dich ja schon. Was hat dir Eamonn Docherty denn sonst noch beigebracht?‹ Ich weiß nicht, ob er dich gemeint hat oder deinen Vater.«
    »Das hat er also gesagt, was?«
    Cathy schob eine Strähne ihres dicken blonden Haares aus der Stirn. »Reg dich bloß nicht auf, das
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