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Die Aufsteigerin

Titel: Die Aufsteigerin
Autoren: Martina Cole
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Sie lebten von einem Tag auf den anderen und zahlten immer dann ein wenig ab, wenn man ihnen Zigaretten und Lebensmittel nicht mehr auf Kredit geben wollte.
    Madge zog ihren alten Mantel aus und grinste. »Mistding! Ich brauch dringend einen neuen. Scheiße, ich renn doch schon rum wie Yogi Bär.«
    Cathy lachte fröhlich. »Dann muss Betty ja Boo-Boo sein.«
    Sie lachten gemeinsam über den Scherz.
    Madge, satt von Speck, Eiern, Tomaten und Würstchen, hatte kein Interesse an den Sandwiches. Der Anblick ihrer Tochter, die so flink in der kleinen Küche hantierte, versetzte ihr einen Stich der Reue. Sie sah das verfilzte blonde Haar über den
Rücken des Kindes fallen, sah die großen blauen Augen des Mädchens und spürte, wie sehr sie Cathy liebte. Die Kleine war ein gutes Kind, und man konnte sich darauf verlassen, dass sie tat, was es zu tun gab. In ein paar Jahren würde sie eine echte Stütze sein …
    »Gib ein Küsschen, Baby.«
    Pflichtbewusst kam Cathy zu ihrer Mutter, legte die dünnen Ärmchen um deren üppige Taille und küsste die dargebotene Wange.
    »Ich hab dich lieb, Mom.«
    Madge nickte traurig. »Das weiß ich wohl.«
    Madge schloss ihr kleines Mädchen fest in die Arme. Wie süß sie roch und wie drahtig sich der schmächtige Körper anfühlte. Cathy würde es schaffen. Sie war nicht unterzukriegen. Das sagte sich Madge an jedem Tag ihres Lebens.
    Eamonn Senior stand im Türrahmen und beobachtete die beiden. Er schüttelte ungläubig den Kopf. Wieso hatte Gott in seiner Weisheit für richtig angesehen, ihnen diese beiden Kinder zu schenken?
    Er betrachtete das verschmierte Make-up von Madge und ihren fetten Bauch, ihre Krampfadern und die geschwollenen Füße in den engen silbernen Stilettos. In ihrem großen runden Gesicht war noch eine Spur der Schönheit zu erahnen, die sie einst besessen hatte. Madge war gerade fünfunddreißig Jahre alt.
    Er zog die Hosenträger über die Schultern und trat in die kleine Küche. »Würstchen, hä? Hab’n wir keine Eier?«
    Cathy schüttelte den Kopf, glücklich über seinen launigen Ton. Madge zog eine Pfundnote aus ihrer Tasche, als Eamonn Junior in die Küche kam, noch immer Schlaffalten im Gesicht.
    »Lauf runter in den Laden und hol ein Dutzend Eier und eine Zeitung. Das Pfund ist für die Schulden, und du kannst dir was zu naschen aussuchen.«
    Der Junge nahm das Geld und lief los. »Lass die Sandwiches da, Kind. Ich mach uns dazu Eier, hm?«

    Cathy nickte glücklich.
    Der große Ire schenkte sich eine Tasse Tee ein und wandte sich an Madge. »Und wie war die Nacht?«
    »Fünfzehn Quid. Hab ‘n Chinamann geplündert, aber der kreuzte plötzlich wieder auf. Hättest sehen sollen, wie wir gerannt sind. Die Commercial Road rauf wie die Windhunde! Hat mich aufgeschlitzt, hier!« Sie zeigte ihm ihren verbundenen Arm. »Nichts Ernstes, nee, nur drei Stiche. Im London ham sie mich genäht, und deswegen bin ich auch so spät. Er war klein, der Kerl. Gelber Zwerg.«
    Eamonn lachte. »Bist ‘ne Klasse für sich, Madge.« Er strich sich mit der Hand über die Bartstoppeln. »Kannst mir vielleicht was leihen? Fünfer würde reichen.«
    Cathy sah zu, wie ihre Mutter ihm den Fünfpfundschein gab, und seufzte innerlich vor Erleichterung. Madge hatte Beute gemacht, wie sie es nannte. Das hieß, sie würden allesamt schön frühstücken, und in der Wohnung würde Lachen statt Verwünschungen zu hören zu sein. Alles in allem kein schlechter Anfang eines Donnerstags.
    Sie freute sich auf die Schule. Cathy gefiel es dort. Es war ordentlich, es war warm, und ihre Lehrerin, Mrs. Platting, nannte sie »Darling«.
    Schmunzelnd schaute sie jetzt zu, wie ihre Mutter und der große Mann schwatzten und lachten, und nachdem sie den beiden noch Tee nachgeschenkt hatte, gönnte sie sich einen verstohlenen Zug an der Zigarette ihrer Mutter.
    Madge bemerkte sie und lachte nur. »Hast du das gesehen, Eamonn! Sie raucht.«
    Begeistert schauten die beiden Erwachsenen das kleine Mädchen an, und Cathy sonnte sich in ihrer Zuneigung.
    Augenblicke wie dieser waren selten, und sie hatte schon vor Zeiten gelernt, die schönen Stunden zu genießen. Denn man wusste nie, wie lange sie andauern würden.

Kapitel zwei
    1965
    Madge schenkte sich einen gehörigen Schluck Black and White ein und setzte sich wieder auf ihren Stuhl. Sie rülpste laut und sah auf die Uhr. Elf Uhr morgens und immer noch kein Anzeichen von ihrem Mann.
    Sie steckte sich eine Zigarette an, drehte das Radio neben sich
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