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Die Attentaeterin

Die Attentaeterin

Titel: Die Attentaeterin
Autoren: Yasmina Khadra
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ihm, dass Faten verschwunden ist, teile ihm meine Vermutungen bezüglich der Gründe ihres Verschwindens mit.
    »Nicht eine Frau ist in dieser Woche zu uns gestoßen«, versichert er mir.
    »Frag doch mal beim Islamischen Dschihad oder bei einer der anderen Phalangen nach .«
    »Das bringt’s nicht … Ist schon schwer genug, sich mit denen übers Wesentliche zu einigen. Und außerdem sind wir einander keine Rechenschaft schuldig. Jeder führt den heiligen Krieg nach seiner Art. Wenn Faten da irgendwo steckt, ist es zwecklos zu versuchen, sie herauszuholen. Sie ist volljährig und absolut frei, über ihr Leben zu verfügen, wie es ihr gefällt. Über ihren Tod ebenso. Es gibt nicht zweierlei Maß und zweierlei Gewicht, Doktor. Wenn man bereit ist, zu den Waffen zu greifen, muss man auch dulden, dass die anderen dasselbe tun. Jeder hat Anrecht auf seinen Anteil am Ruhm. Sein Schicksal kann sich keiner aussuchen, wohl aber sein Ende. Und das ist gut so, das ist demokratisch. So hat doch jeder die Chance, dem Verhängnis ins Gesicht zu spucken .«
    »Ich bitte dich, mach sie ausfindig .«
    Adel schüttelt bedauernd den Kopf. »Du verstehst noch immer nichts, ammou. Und ich muss jetzt fort. Scheich Marwan kann jeden Augenblick eintreffen. Er predigt in einer knappen Stunde in der Moschee hier im Viertel. Du solltest ihn dir mal anhören …«
    Das ist es, denke ich: Faten ist wahrscheinlich in Dschenin, um den Segen des Scheichs einzuholen.
    Die Moschee ist bis in den letzten Winkel gefüllt. Die Milizen haben mehrere Sicherheitskordons um das Gotteshaus gezogen. Ich suche mir einen Platz an einer Straßenecke, von wo aus ich den Frauenflügel überwachen kann. Die Nachzüglerinnen drängen durch eine Hintertür an der Rückseite der Moschee in den Gebetssaal, die einen in schwarze Gewänder gehüllt, die anderen leuchtend bunt verschleiert. Faten ist nicht zu sehen. Ich laufe um einen Häuserblock herum, um näher an die Hintertür zu gelangen, wo eine dicke Dame Aufsicht führt. Sie ist empört, mich an einer Stelle auftauchen zu sehen, an der selbst die Milizen sich nicht zu zeigen wagen, aus Schamgefühl.
    »Die Männer sind auf der anderen Seite !« , fährt sie mich an.
    »Ich weiß, meine Schwester, aber ich muss dringend mit meiner Nichte, Faten Jaafari, reden. Das duldet keinen Aufschub .«
    »Der Scheich ist bereits auf dem Minbar .«
    »Es tut mir wirklich leid, meine Schwester. Aber ich muss mit meiner Nichte sprechen .«
    »Und wie soll ich es anstellen, sie hier zu finden ?« , regt sie sich auf. »Da drin sind Hunderte von Frauen, und der Scheich fängt gleich mit seiner Predigt an. Ich kann ihm ja wohl kaum das Mikrophon wegnehmen. Kommen Sie nach dem Gebet wieder .«
    »Vielleicht kennen Sie ja meine Nichte? Ist sie da drin, Schwester ?«
    »Wie bitte? Sie sind sich nicht sicher, ob sie überhaupt hier ist? Und dann nerven Sie uns in einem solchen Moment! Wenn Sie nicht sofort verschwinden, rufe ich die Milizionäre herbei !«
    Es bleibt mir nichts übrig, als das Ende der Predigt abzuwarten.
    Ich kehre zu meinem Platz an der Straßenecke zurück, um die Moschee und den Frauenflügel nicht aus dem Blick zu verlieren. Die Stimme Imam Marwans klingt beschwörend aus dem Lautsprecher, hoheitsvoll die überirdische Stille durchdringend, die über dem Viertel schwebt. Es ist praktisch die gleiche Ansprache, wie ich sie in dem Schwarztaxi nach Bethlehem gehört habe. Von Zeit zu Zeit begrüßt enthusiastisches Geschrei die lyrischen Aufschwünge des Redners …
    Mit quietschenden Bremsen stoppt ein Wagen direkt vor der Moschee. Zwei Milizionäre springen heraus und sprechen aufgeregt in ihre Funkgeräte. Es scheint sich irgendetwas anzubahnen. Einer der beiden zeigt nervös zum Himmel hinauf. Erst beraten sie sich kurz und gesellen sich dann zu dem Mann mit der Jacke, meinem Kerkermeister. Er hält sich einen Feldstecher vor die Augen und sucht minutenlang den Himmel ab. Um die Moschee herum bricht hektische Betriebsamkeit aus. Widerstandskämpfer laufen in alle Richtungen davon, drei direkt auf mich zu, rennen keuchend an mir vorbei …
    »Wenn kein Helikopter zu sehen ist, wird es eine Drohne sein«, sagt einer. Ich blicke ihnen nach, wie sie im Eiltempo die Straße hinauflaufen. Ein weiteres Fahrzeug hält vor der Moschee. Die Insassen rufen dem Mann in der Jacke etwas zu, wenden den Wagen unter furchtbarem Motorenlärm und rasen zurück zum Platz. Die Predigt wird unterbrochen. Jemand bemächtigt sich des
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