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Die Attentaeterin

Die Attentaeterin

Titel: Die Attentaeterin
Autoren: Yasmina Khadra
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hochroten Zügen dem der kalten Wut, vermischt mit Ekel. Als ich mich über ihn beuge, wirft er mir einen drohenden Blick zu und bleckt empört die Zähne.
    »Ich dulde nicht, dass ein Araber mich berührt«, knurrt er und stößt mich erbittert zurück. »Da krepier ich lieber .«
    Ich packe ihn am Handgelenk und drücke ihm den Arm energisch nach unten.
    »Halten Sie ihn gut fest«, sage ich zur Schwester. »Ich werde ihn mir mal ansehen .«
    »Fassen Sie mich nicht an !« , brüllt der Verletzte. »Ich verbiete Ihnen, mich zu berühren .«
    Er spuckt mich an. So kraftlos, dass ihm der Speichel klebrig und zitternd aufs Kinn zurückfällt, während Tränen der Wut in seinen Augen aufsteigen. Ich öffne sein Jackett. Sein Bauch ist nur noch ein schwammiger Brei, den die kleinste Anstrengung zusammendrückt. Er hat bereits viel Blut verloren, und sein Geschrei erhöht noch den Blutverlust.
    »Wir müssen sofort operieren .«
    Ich gebe einem Pfleger Zeichen, mir zu helfen, den Verletzten wieder auf die Trage zu heben, schiebe die Liegen zur Seite, die uns den Weg versperren, und steuere eiligst auf den OP-Saal zu. Der Verwundete fixiert mich aus hasserfüllten, schon halb verdrehten Pupillen. Er versucht noch immer zu protestieren, doch sein Widerstand hat ihn erschöpft. Entkräftet wendet er den Kopf ab, um mich nicht direkt vor Augen zu haben, und überlässt sich der einsetzenden Betäubung.

2.
    I ch verlasse den OP-Raum gegen 22 Uhr. Ich weiß nicht, wie viele Personen ich auf meinem Operationstisch liegen hatte. Kaum war ich mit einem fertig, gingen die Türflügel auf und ließen die nächste Liege herein. Manche Eingriffe brauchten nicht lange , andere haben mich komplett ausgelaugt. Ich habe Krämpfe und ein Kribbeln rund um die Gelenke. Hin und wieder trübte sich mein Blick, und mir wurde vorübergehend schwindlig.
    Aber erst, als mir ein Junge unter den Händen fast weggestorben wäre, hielt ich es für ratsam, meinen Platz für den Nachfolger zu räumen. Kim ihrerseits hat drei Patienten verloren, einen direkt nach dem anderen, als würde ein böser Fluch auf ihren Anstrengungen liegen. Hörbar auf sich selbst schimpfend hat sie Raum 5 verlassen. Ich glaube, sie ist in Tränen aufgelöst in ihr Büro geflüchtet.
    Laut Ezra Benhaim muss die Zahl der Toten nach oben korrigiert werden; bisher waren es fünfzehn Todesfälle, darunter elf Schüler, die den Geburtstag einer Klassenkameradin in dem Fastfood-Restaurant, das es traf, feierten, vier Amputationen und dreiunddreißig Schwerverletzte, die in kritischem Zustand eingeliefert worden waren. Etwa vierzig Verletzte sind von ihren Angehörigen abgeholt worden, andere selbständig nach Hause zurückgekehrt, nachdem wir sie ärztlich versorgt hatten.
    Im Foyer taumeln Eltern wie Schlafwandler umher.
    Die meisten scheinen das Ausmaß der Katastrophe, die sie getroffen hat, nicht zu begreifen. Eine aufgewühlte Mutter umklammert mit bohrendem Blick meinen Arm:
    »Wie geht es meiner Kleinen, Herr Doktor? Wird sie es schaffen ?« … Ein Vater erscheint; sein Sohn ist im Reanimationsraum. Er will wissen, warum die Operation noch immer nicht zu Ende ist. »Er ist doch schon seit Stunden da drin. Was machen Sie denn mit ihm ?« Die Schwestern werden ebenso bestürmt. Sie versuchen, so gut es geht, die Gemüter zu besänftigen, und versprechen, die gewünschten Informationen sofort zu besorgen. Eine Familie erspäht mich, als ich gerade einen alten Mann beruhige, und fällt über mich her. Ich muss einen Rückzieher machen und nehme den Weg über den Außenhof, um das Gebäude herum, um in mein Büro zu gelangen.
    Kim ist nicht in ihrem. Ich suche sie bei Ilan Ros. Ros hat sie nicht gesehen. Die Schwestern auch nicht.
    Ich ziehe mich um und mache mich auf den Heimweg.
    Auf dem Parkplatz kommen und gehen die Polizisten in gedämpfter Hast. Die Stille wird vom Surren ihrer Funkgeräte ständig unterbrochen. Ein Offizier erteilt Anweisungen aus seinem Geländewagen, die Maschinenpistole auf dem Armaturenbrett.
    Ich steige in mein Auto und bin wie berauscht vom Abendwind. Kims Nissan steht noch immer da, wo ich ihn am Morgen gesehen habe, die Vorderscheiben wegen der Hitze halb heruntergekurbelt. Ich schließe daraus, dass sie noch immer im Krankenhaus ist, aber ich bin zu müde, um nach ihr zu suchen.
    Wenn man das Krankenhaus hinter sich hat, wirkt die Stadt völlig harmlos. Das Drama, von dem sie eben erst erschüttert wurde, hat nichts an ihren Gewohnheiten
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