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Die Attentaeterin

Die Attentaeterin

Titel: Die Attentaeterin
Autoren: Yasmina Khadra
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er ein flinker, aufmerksamer Typ. Seine ausgeprägte Neigung zum Herumkommandieren, zu der sich eine spezielle Art von Humor gesellt, der sich in unangebrachten Witzen äußert, hat ihm den Spitznamen »Wachtmeister« eingetragen. Aber wenn es darauf ankommt, dann ist er noch immer der Erste, der die Ärmel hochkrempelt, und der Letzte, der nach Hause geht.
    Er war schon da, als ich, damals ein blutjunger Chirurg und noch lange kein israelischer Staatsbürger, Himmel und Erde in Bewegung setzte, um eine Festanstellung zu bekommen. Obwohl er zu der Zeit nur ein einfacher Oberarzt war, nutzte er das bisschen Einfluss, das ihm sein Posten verlieh, um meine Gegner auf Abstand zu halten. Damals war es schwer für einen Beduinensohn, Einlass in den erlesenen Kreis der akademischen Elite zu finden, ohne Anstoß zu erregen. Meine Mitabsolventen waren ausnahmslos junge reiche Juden mit Goldkettchen und Cabrio. Sie sahen auf mich herab und empfanden jeden meiner Erfolge als persönlichen Angriff auf ihren Status. So kam es, dass Ezra, wenn einer von ihnen mich bis zur Weißglut reizte, automatisch für mich Partei ergriff, ohne auch nur zu fragen, wer den Streit begonnen hatte.
    Er öffnet die Tür ohne anzuklopfen und blickt mich mit gesenktem Kopf von unten herauf an, den Anflug eines Lächelns im Mundwinkel. Das ist seine Art, Zufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Dann, als ich mich im Sessel herumdrehe, um ihn direkt anzuschauen, nimmt er seine Brille ab, wischt sie an seinem Arztkittel sauber und bemerkt: »Man erzählt sich, dass du schon halb im Jenseits warst, um deinen Patienten zurückzuholen .«
    »Nun übertreibe mal nicht .«
    Er schiebt die Brille zurück auf eine Nase mit garstigen Nasenlöchern, wiegt den Kopf hin und her, denkt kurz nach, dann wird sein Blick wieder nüchtern.
    »Sehen wir uns heute Abend im Club ?«
    »Nein, das ist unmöglich, meine Frau kommt heute zurück .«
    »Und was ist mit meiner Revanche ?«
    »Welcher Revanche? Du hast bisher nicht ein Spiel gegen mich gewonnen .«
    »Das ist nicht fair, Amin. Du nutzt immer meine schwachen Momente aus, um mich zu besiegen. Und gerade heute, wenn ich in Form bin, da kneifst du .«
    Ich lehne mich im Sessel zurück, um ihn besser mustern zu können.
    »Soll ich dir mal was sagen, mein Lieber? Du bist nicht mehr der Jüngste, ich würde es mir selbst übel nehmen, wenn ich das ausnutzen wollte .«
    »Schaufel nur nicht zu schnell mein Grab. Ich werde dir das Maul schon noch stopfen .«
    »Dazu brauchst du aber keinen Tennisschläger. Eine einfache Suspendierung vom Dienst tut es auch .«
    Er verspricht, darüber nachzudenken, tippt zum Abschied kurz mit dem Finger an die Schläfe und ist schon wieder draußen auf dem Gang, wo er mit den Krankenschwestern schäkert.
    Wieder allein, versuche ich mich zu erinnern, womit ich beschäftigt war, bevor Ezra hereinplatzte, und mir fällt ein, dass ich meine Frau anrufen wollte. Ich greife zum Hörer, wähle die Nummer von zu Hause und lege nach siebenmal Klingeln wieder auf. Die Zeiger meiner Uhr stehen auf 13 Uhr 12. Wenn Sihem den 9-Uhr-Bus genommen hätte, wäre sie längst zurück.
    »Mach dir deswegen keine Gedanken !« Überraschend kommt Doktor Kim Yehuda in mein Büro geschneit und fügt gleich hinzu: »Ich habe angeklopft, bevor ich eingetreten bin. Aber du warst in Gedanken …«
    »Entschuldige, ich habe dich gar nicht kommen hören .«
    Sie wischt meine Worte mit einer Handbewegung beiseite, beobachtet das Auf und Ab meiner Augenbrauen und fragt: »Du hast zu Hause angerufen ?«
    »Man kann aber auch gar nichts vor dir verbergen .«
    »Und natürlich ist Sihem noch nicht zurück ?«
    Ihr Scharfsinn geht mir auf die Nerven, aber ich habe gelernt, damit zu leben. Ich kenne Kim seit der Universität. Wir waren nicht im selben Semester – ich war ihr um drei Nasenlängen voraus –, doch wir haben uns auf Anhieb verstanden. Sie war schön und spontan und fackelte nicht lange, wo die anderen Studentinnen erst stundenlang zögerten, bevor sie einen Araber fragten, ob er Feuer hätte, auch wenn er noch so gescheit und attraktiv war. Kim lachte viel und gerne und trug ihr Herz auf der Zunge. Unsere Flirts waren von verwirrender Naivität. Ich habe schrecklich gelitten, als ein junger russischer Gott, frisch aus seinem Komsomol angereist, sie mir entführte. Aber da ich kein schlechter Verlierer sein wollte, habe ich keine Schwierigkeiten gemacht. Später habe ich dann Sihem geheiratet, und der Russe ist
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