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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Autoren: Frank McCourt
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werde neunzehn, arbeite stramm bei Eason, schreibe Drohbriefe für Mrs. Finucane, die sagt, sie wird nicht mehr lang von dieser Welt sein, und je mehr Messen für ihr Seelenheil gelesen werden, desto besser wird sie sich fühlen. Sie steckt Geld in Umschläge und schickt mich in Kirchen in der ganzen Stadt, damit ich bei den Priestern anklopfe und mit der Bitte um Messen die Umschläge überreiche. Sie will Messen von allen Priestern außer von den Jesuiten. Sie sagt, die sind nutzlos, nur Kopf und kein Herz. Das sollten sie auf lateinisch über der Tür stehen haben, und keinen Penny würde ich ihnen geben, denn jeder Penny, den man einem Jesuiten gibt, wird in einem schicken Buch oder einer Flasche Wein angelegt.
    Sie schickt das Geld, sie hofft, daß die Messen gelesen werden, aber ganz sicher ist sie nie, und wenn sie nicht sicher ist, warum soll ich das Geld den Priestern überreichen, wo ich doch das Geld brauche, um nach Amerika zu gehen, und wenn ich ein paar Pfund für mich übrigbehalte und auf das Postsparbuch einzahle, wer wird je den Unterschied bemerken, und wenn ich ein Gebet für
Mrs. Finucane spreche und Kerzen für ihre Seele anzünde, wenn sie stirbt, wird Gott etwa nicht zuhören, nur weil ich ein Sünder bin, dessen letzte Beichte lange zurückliegt?
    In einem Monat werde ich neunzehn. Jetzt brauche ich nur noch ein paar Pfund für den Flug und ein paar Pfund Taschengeld, wenn ich in Amerika lande.
    Am Freitag abend vor meinem neunzehnten Geburtstag schickt mich Mrs. Finucane Sherry holen. Als ich zurückkomme, sitzt sie tot auf ihrem Sessel, die Augen weit offen, und der Geldbeutel liegt auf dem Fußboden und ist auch weit offen. Ich kann sie nicht ansehen, aber ich bediene mich erst mal mit ein paar zusammengerollten Geldscheinen. Siebzehn Pfund. Ich nehme den Schlüssel für den großen Koffer im ersten Stock. Ich nehme vierzig von den hundert Pfund im Koffer und das Hauptbuch. Diese siebenundfünfzig Pfund kommen aufs Postsparbuch, und dann habe ich genug, um nach Amerika zu gehen. Dann nehme ich noch den Sherry mit, damit er nicht schlecht wird.
    Ich sitze am Shannon bei den Trockendocks und nippe an Mrs. Finucanes Sherry. Tante Aggies Name steht in dem Hauptbuch. Sie schuldet Mrs. Finucane neun Pfund. Das könnte das Geld sein, das sie vor langer Zeit für meine Klamotten ausgegeben hat, aber nun wird sie es nie zurückzahlen
müssen, weil ich das Hauptbuch in den Fluß schmeiße. Es tut mir leid, daß ich Tante Aggie nie werde sagen können, daß ich ihr neun Pfund gespart habe. Es tut mir leid, daß ich den armen Leuten in den Gassen von Limerick Drohbriefe geschrieben habe, meinen eigenen Leuten, aber das Hauptbuch ist weg, niemand wird je erfahren, wieviel sie schulden, und sie brauchen ihren Saldo nicht zu begleichen. So gern würde ich ihnen sagen, ich bin euer Robin Hood.
    Noch ein Schlückchen Sherry. Ich werde ein oder zwei Pfund für eine Seelenmesse für Mrs. Finucane abzweigen. Ihr Hauptbuch ist auf dem Weg den Shannon hinunter und in den Atlantik hinaus, und eines Tages, bald, werde ich ihm folgen.
     
     
    Der Mann in O’Riordan’s Reisebüro sagt, er kann mich nicht auf dem Luftwege nach Amerika schaffen, wenn ich nicht vorher nach London reise, was ein Vermögen kosten würde. Er kann mich auf ein Schiff namens The Irish Oak setzen, welches in ein paar Wochen Cork verläßt. Er sagt, neun Tage auf See, September, Oktober, die beste Zeit des Jahres, eigene Kabine, dreizehn Passagiere, beste Verpflegung, kleiner Urlaub für Sie und kostet Sie nur fünfundfünfzig Pfund, haben Sie die?
    Ja.

     
     
    Ich sage Mam, daß ich in ein paar Wochen weggehe, und sie weint. Michael sagt, gehen wir alle eines Tages?
    Ja.
    Alphie sagt, schickst du mir einen Cowboyhut und ein Ding, das man wirft und das zu einem zurückkommt?
    Michael sagt ihm, das ist ein Bumerang, und um so was zu kriegen, muß man den ganzen weiten Weg nach Australien, das kriegt man nicht in Amerika.
    Alphie sagt, doch, das kriegt man in Amerika, klar kriegt man so was in Amerika, und sie streiten sich über Amerika und Australien und Bumerangs, bis Mam sagt, um der Liebe Jesu willen, euer Bruder verläßt uns, und ihr zankts euch wegen Bumerangs. Hörts ihr endlich damit auf?
    Mam sagt, in der Nacht, bevor ich gehe, werden wir eine kleine Party machen müssen. In den alten Zeiten gab es Partys, wenn jemand nach Amerika ging, was so weit weg war, daß die Partys amerikanische Totenwachen genannt wurden, weil die
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