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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Autoren: Frank McCourt
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Zeit zu gehen, und er starb im Royal Victoria Hospital.
    Meine Mutter, die frühere Angela Sheehan, wuchs bei ihrer Mutter und mit zwei Brüdern, Thomas und Patrick, und ihrer Schwester Agnes in einem Slum von Limerick auf. Ihren Vater hat sie nie gesehen, denn dieser war ein paar Wochen vor ihrer Geburt nach Australien durchgebrannt.
    Nach einer in Limericks Kneipen porterdurchzechten Nacht wankt er die Gasse entlang und singt sein Lieblingslied.

    Wer hat den Blaumann in den Suppentopf
geschmissen?
Lauter! Ich höre nichts! Ich will es endlich
wissen.
Es ist eine Sauerei, und ich schlag den Mann
zu Brei,
Denn eine Blaumannsuppe schmeckt nun
mal beschissen. Ref 1
    Er ist in Bestform, und er denkt, jetzt spielt er ein bißchen mit dem kleinen Patrick; Alter: ein Jahr. Ganz süßer kleiner Bengel. Liebt seinen Daddy. Lacht, wenn Daddy ihn in die Luft schmeißt. Hopsasa, kleiner Paddy, hopsasa, hoch in die Luft in der Dunkelheit, dunkle, dunkle Dunkelheit, und Jeeesus, fällt das Kind auf dem Weg nach unten doch daneben, und der arme kleine Patrick landet auf dem Kopf, gluckst ein bißchen, winselt, verstummt. Großmutter wuchtet sich aus dem Bett, schwer von dem Kind in ihrem Bauch, meiner Mutter. Kaum kann sie den kleinen Patrick vom Fußboden aufheben. Sie stöhnt einen langen Stöhner über dem Kind und richtet das Wort an Großpapa. Mach, daß du rauskommst. Raus. Wenn du nur eine Minute länger bleibst, erhebe ich das Beil gegen dich, du versoffener Irrer. Bei Jesus dem Herrn. Raus. Großpapa weicht mannhaft keinen Zollbreit. Er sagt, ich habe das Recht, in meinem eigenen Haus zu bleiben.

    Sie geht auf ihn los, und der heulende Derwisch mit einem beschädigten Kind auf dem Arm und einem gesunden, das sich bereits im Bauche regt, jagt ihm schreckliche Angst ein. Er stolpert aus dem Haus, die Gasse entlang, und er bleibt nicht stehen, bis er Melbourne in Australien erreicht hat.
    Der kleine Pat, mein Onkel, war nachher nie mehr derselbe. Er wuchs weich im Kopf heran, mit einem linken Bein, das in die eine, und einem Körper, der in die andere Richtung ging. Nie lernte er Lesen oder Schreiben, aber Gott begabte ihn auf andere Weise. Als er im Alter von neun Jahren anfing, Zeitungen zu verkaufen, war er besser im Geldzählen als der Herr Schatzkanzler persönlich.
    Niemand weiß, warum er Ab Sheehan, der Abt, genannt wurde, aber ganz Limerick liebte ihn.
    Für meine Mutter fing der Ärger in der Nacht ihrer Geburt an. Da liegt meine Großmutter im Bett, krümmt sich und keucht in den Wehen und betet zu Gerhard Majella, dem Schutzheiligen der werdenden Mütter. Da steht Schwester O’Halloran, die Hebamme, ganz fein angezogen. Es ist Silvester, und Mrs. O’Halloran möchte, daß dieses Kind zügig geboren wird, damit sie endlich zu den Partys und Feiern abschwirren kann. Sie sagt zu meiner Großmutter, pressen Sie doch, pressen, Sie, doch. Jesus, Maria und heiliger Joseph,
wenn Sie sich mit diesem Kind nicht beeilen, wird es erst im neuen Jahr geboren, und was nützt mir das dann noch mit meinem neuen Kleid? Ihren heiligen Gerhard Majella können Sie vergessen. Was kann in dieser Lage ein Mann denn schon für eine Frau tun, selbst wenn er ein Heiliger ist? Heiliger Gerhard Majella am Arsch.
    Meine Großmutter schaltet ihre Gebete zur heiligen Anna um, der Schutzheiligen für schwierige Wehen. Aber das Kind kommt nicht. Schwester O’Halloran sagt zu meiner Großmutter, beten Sie zum heiligen Judas, dem Schutzpatron für verzweifelte Fälle.
    Heiliger Judas, Schutzpatron für verzweifelte Fälle, hilf mir. Ich bin verzweifelt. Sie grunzt und preßt, und der Kopf des Kindleins erscheint, nur der Kopf, meine Mutter, und es ist Schlag Mitternacht, das neue Jahr. Limerick explodiert mit Pfeifen, Tröten, Sirenen, Blaskapellen, die Menschen schreien und singen, Prost Neujahr, For Auld Lang Syne, und von allen Kirchtürmen ertönt das Angelusläuten, und Schwester O’Halloran weint, schade um das Kleid, das Kind ist immer noch da drin, und ich hab mich extra schön gemacht. Kommst du da vielleicht mal raus? Oma preßt noch mal heftig, und das Kind ist auf der Welt, ein wunderschönes Mädchen mit schwarzem Lockenhaar und traurigen blauen Augen.

    Ach, Gott im Himmel, sagt Schwester O’Halloran, dieses Kind ist in einer Zeitgrätsche geboren, mit dem Kopf im neuen Jahr und mit dem Arsch im alten, oder war es mit dem Kopf im alten Jahr und mit dem Arsch im neuen. Sie müssen dem Papst schreiben, Missis, damit Sie
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