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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Autoren: Frank McCourt
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könnte, mich lieben … Ref 4
    Wenn Dad den ersten Wochenlohn nach Hause bringt, ist Mam entzückt, weil sie den reizenden italienischen Mann im Lebensmittelladen bezahlen kann, und sie kann wieder erhobenen Hauptes vor die Tür gehen, denn es gibt nichts
Schlimmeres auf der Welt, als jemandem etwas schuldig zu bleiben und für etwas verpflichtet zu sein. Sie macht die Küche sauber, wäscht Tassen und Teller, wischt Krümel und Essensreste vom Tisch, reinigt den Eisschrank und bestellt einen frischen Eisblock bei einem anderen Italiener. Sie kauft Klopapier, welches wir mitnehmen können aufs Etagenklo und welches, sagt sie, besser ist, als sich von den Schlagzeilen der Daily News einen schwarzen Arsch zu holen. Sie kocht Wasser auf dem Herd und verbringt einen ganzen Tag am großen Blechbottich, in dem sie unsere Hemden und Socken wäscht, Windeln für die Zwillinge, unsere zwei Laken, unsere drei Handtücher. Sie hängt alles auf die Wäscheleine hinter dem Mietshaus, und wir können zusehen, wie unsere Klamotten in Wind und Sonne tanzen. Sie sagt, man will zwar nicht, daß die Nachbarn sehen, was man für Wäsche hat, aber es geht eben doch nichts über den Duft von Wäsche, die an der Sonne getrocknet ist.
    Wenn Dad freitagabends den ersten Wochenlohn nach Hause bringt, wissen wir, daß das Wochenende wunderbar wird. Am Samstagabend wird Mam auf dem Herd Wasser kochen und uns in der großen Blechwanne waschen, und Dad wird uns abtrocknen. Malachy wird sich umdrehen und seinen Hintern zeigen. Dad wird so tun, als wäre er schockiert, und wir werden alle lachen.
Mam wird heißen Kakao machen, und wir werden lange aufbleiben dürfen, während Dad uns eine Geschichte aus seinem Kopf erzählt. Wir müssen nur einen Namen sagen, Mr. McAdorey oder Mr. Leibowitz auf derselben Etage, und schon erzählt Dad, wie die beiden in Brasilien einen Fluß hinaufrudern und dabei von Indianern mit grünen Nasen und rotbraunen Schultern gejagt werden. An so einem Abend können wir ganz allmählich in den Schlaf hinüberschlittern, und beim Einschlafen wissen wir, daß es ein Frühstück geben wird, mit Eiern, gebratenen Tomaten und geröstetem Brot, Tee mit massenhaft Zucker und Milch, und später am Tage ein großes Mittagessen mit Kartoffelbrei und Erbsen und Schinken und einer Nachspeise, die nur Mam machen kann: ein Trifle mit Schichten aus Obst und warmer, köstlicher Vanillesauce auf einem Tortenboden, der mit Sherry getränkt ist.
    Wenn Dad den ersten Wochenlohn nach Hause bringt und das Wetter schön ist, geht Mam mit uns auf den Spielplatz. Sie sitzt auf einer Bank und unterhält sich mit Minnie McAdorey. Sie erzählt Minnie Geschichten über Leute in Limerick, und Minnie erzählt ihr Geschichten über Leute in Belfast, und dann lachen sie, denn es wohnen komische Menschen in Irland, im Norden wie im Süden. Dann bringen sie sich gegenseitig traurige Lieder bei, und Malachy und ich steigen von der
Wippe oder der Schaukel herunter, um bei ihnen auf der Bank zu sitzen und zu singen:
    Ein Zug Rekruten im Felde bei Nacht
    Sprach über das Liebste, was man so hat.
    Guter Dinge ein jeder, nur ein junger Soldat
    Schien ihnen traurig und matt.
    Komm und schließ dich uns an, sagte einer der Jungs,
    Erzähl schon und zier dich nicht so.
    Doch Ned schüttelt den Kopf und sagt nur ganz glatt:
    Ich lieb nämlich zwo, wie eine Mutter mir lieb,
    Und für keine gibt es Ersatz.
    Meine Mutter die eine, Gott geb’ ihr das Seine,
    Die andere aber mein Schatz. Ref 7
    Malachy und ich singen dieses Lied, und Mam und Minnie lachen, bis sie weinen müssen, weil Malachy am Schluß eine tiefe Verbeugung macht und Mam seine Arme entgegenstreckt. Dan McAdorey kommt auf dem Weg von der Arbeit vorbei und sagt, Rudy Vallee soll schon mal anfangen, sich Sorgen zu machen, bei der Konkurrenz.
    Wenn wir wieder zu Hause sind, macht Mam Tee und Marmeladenbrot oder Kartoffelbrei mit Butter und Salz. Dad trinkt den Tee und ißt
nichts. Mam sagt, Gott in der Höhe, wie kannst du den ganzen Tag arbeiten und dann nichts essen? Er sagt, der Tee ist völlig ausreichend. Sie sagt, du wirst dir deine Gesundheit ruinieren, und er sagt ihr wieder, Nahrung sei ein Schock für den Verdauungsapparat. Er trinkt seinen Tee und erzählt uns Geschichten und zeigt uns Buchstaben und Wörter in der Daily News, oder er raucht eine Zigarette, leckt sich die Lippen und starrt die Wand an.
    Wenn Dads Arbeit in die dritte Woche geht, bringt er den Lohn nicht mehr nach Hause. Am
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