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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Autoren: Frank McCourt
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herausfinden, in welchem Jahr dieses Kind geboren wurde, und das Kleid hebe ich für nächstes Jahr auf.
    Und das Kind wurde auf den Namen Angela getauft, nach dem Angelusläuten, welches die Mitternacht anzeigte und das neue Jahr, die genaue Minute ihres Kommens, und weil sie sowieso ein kleiner Engel war.
    Liebe dein Mutterherz,
Solang es noch schlägt.
Später, wenn es begraben,
Ist es zu spät. Ref 2
    In der Schule vom Hl. Vincent de Paul lernte Angela Lesen, Schreiben und Rechnen, und als sie etwa neun wurde, war ihre Ausbildung abgeschlossen. Sie versuchte sich als Putzfrau, als Magd und als Dienstmädchen mit einer kleinen weißen Haube, das die Tür aufmacht, aber sie schaffte den kleinen Knicks nicht, der da verlangt wird, und ihre Mutter sagte, dir fehlt das gewisse Avec. Du bist völlig nutzlos. Warum gehst du
nicht nach Amerika, wo Platz ist für alle Sorten von Nutzlosigkeit? Ich geb dir das Geld für die Überfahrt.
    Gerade rechtzeitig zum ersten Thanksgiving der Großen Depression kam sie in New York an. Malachy lernte sie auf einer Party kennen, die Dan McAdorey und seine Frau Minnie in der Classon Avenue in Brooklyn gaben. Malachy mochte Angela, und sie mochte ihn. Er wirkte zerknirscht, was daher rührte, daß er gerade wegen einer Lastwagenentführung drei Monate im Gefängnis verbracht hatte. Er und sein Freund John McErlaine hatten geglaubt, was man ihnen in der Flüsterkneipe erzählt hatte: Der Laster sei bis obenhin beladen mit Kartons voll Schweinefleisch mit Bohnen in Dosen. Beide konnten nicht fahren, und als die Polizei sah, wie der Laster in ruckartigen Schlangenlinien durch die Myrtle Avenue holperte, hielt sie ihn an. Die Polizei durchsuchte den Lastwagen und fragte sich, warum wohl jemand einen Lastwagen entführt, dessen Ladung aus Kartons bestand, die nicht etwa Dosenfleisch mit Bohnen, sondern Knöpfe enthielten.
    Da Angela sich von der zerknirschten Art angezogen fühlte und da Malachy nach den drei Monaten Gefängnis einsam war, ließ sich absehen, daß es bald zwei Paar Zitterknie geben würde.

    Zwei Paar Zitterknie nennt man den Akt als solchen, und zwar im Stehen gegen eine Hauswand ausgeführt, wobei Mann und Frau jeweils auf den Zehen stehen und vor Anstrengung und wegen der damit verbundenen Aufregung mit den Knien zittern.
    Diese vier Zitterknie brachten Angela in interessante Umstände, und es gab naturgemäß Gerede. Angela hatte Cousinen, die Schwestern MacNamara, Delia und Philomena, jeweils mit Jimmy Fortune aus der Grafschaft Mayo und Tommy Flynn aus Brooklyn als solchem verheiratet.
    Delia und Philomena waren große Frauen, breitbrüstig und ungestüm. Wenn sie in voller Fahrt auf Brooklyns Bürgersteigen herandampften, machten ihnen mindere Geschöpfe Platz, und Respekt wurde bekundet. Die Schwestern wußten, was richtig war, und sie wußten, was falsch war, und in Zweifelsfällen hatte die Eine, Heilige, Römische, Katholische und Apostolische Kirche das letzte Wort. Sie wußten, daß Angela, unverheiratet, nicht das Recht hatte, in interessanten Umständen zu sein, weshalb sie Schritte unternehmen mußten.
    Und sie unternahmen Schritte. Mit Jimmy und Tommy im Schlepp marschierten sie zur Flüsterkneipe in der Atlantic Avenue, in welcher Malachy an Freitagen zu finden war, am Zahltag, wenn
er einen Job hatte. Der Mann vom Flüster, Joey Cacciamani, wollte die Schwestern nicht reinlassen, aber Philomena sagte ihm, falls er auch weiterhin seine Nase am Gesicht und diese Tür da in den Angeln haben will, soll er lieber aufmachen, sie sind nämlich in Gottes Angelegenheiten da. Joey sagte, schone gute, schone gute, ihre Irenne. Jesusse! Ärgere, Ärgere.
    Malachy, am hinteren Ende des Tresens, erbleichte, bedachte die Breitbrüstigen mit einem kränklichen Lächeln und bot ihnen was zu trinken an. Sie widerstanden dem Lächeln und verschmähten die Getränke. Delia sagte, wir wissen nicht mal, von welcher Sorte von Stamm im Norden von Irland du kommst. Philomena sagte, es besteht der Verdacht, du könntest Presbyterianer in der Familie haben, welches erklären würde, was du unserer Cousine angetan hast.
    Jimmy sagte, na na, aber aber. Ist ja nicht seine Schuld, wenn er Presbyterianer in der Familie hat.
    Delia sagte, duhaltsmaul.
    Tommy mußte mitziehen. Was du diesem armen unglücklichen Mädchen angetan hast, ist eine Schmach für die irische Rasse, und du solltest dich lieber was schämen.
    Och, tu ich ja auch, sagte Malachy. Ehrlich wahr.
    Dir hat keiner das Wort
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