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Die Arena

Titel: Die Arena
Autoren: Stephen King
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kommt aber wie Spielsachen aus dem Spielwarengeschäft der Wahrheit ziemlich nahe. Es kommt ungefähr hin, wie man so sagt.
    - Wie könnt ihr Leben haben, wenn ihr nicht real seid?
    - WIR SIND ABER REAL!, ruft Julia aus, und dies ist das Stöhnen, das Barbie hört. - SO REAL WIE IHR!
    Schweigen. Ein Wesen mit einem sich wandelnden Ledergesicht in einem weiten weißen, nicht überdachten Raum, der irgendwie zugleich der Musikpavillon in Chester's Mill ist. Dann:
    - Beweise es mir.
    - Gib mir deine Hand
    - Ich habe keine Hand. Ich habe keinen Körper. Körper sind nicht real. Körper sind Träume.
    - Dann gib mir deinen Verstand!
    Das tut Lederkopfkind nicht. Das will es nicht. Also nimmt Julia ihn sich.
     
     
    11
     
    Dies ist der Ort, der kein Ort ist:
    Auf dem Musikpavillon ist es kalt, und sie hat solche Angst.
    Schlimmer noch, sie ist ... gedemütigt? Nein, das hier ist viel schlimmer als eine Demütigung. Fiele ihr das Wort erniedrigt ein, würde sie sagen: Ja, das stimmt, ich bin erniedrigt worden. Man hat ihr die Hose ausgezogen.
    (Und irgendwo jagen Soldaten nackte Männer mit Fußtritten durch eine Turnhalle. Das ist die Schande eines anderen, die sich mit ihrer eigenen vermengt.)
    Sie weint.
    (Ihm ist nach Weinen zumute, aber er tut es nicht. Im Augenblick kommt es darauf an, diese Sache zu vertuschen.)
    Die Mädchen sind jetzt gegangen, aber sie hat noch immer Nasenbluten - Lila hat ihr ins Gesicht geschlagen und ihr damit gedroht, ihr die Nase abzuschneiden, wenn sie petzt, und alle haben auf sie gespuckt, und sie muss ganz schlimm geweint haben, denn sie glaubt, dass auch ihr linkes Auge blutet, und kriegt irgendwie nicht richtig Luft. Aber wo oder wie stark sie blutet, ist ihr ganz egal. Sie würde lieber auf dem Boden des Musikpavillons verbluten, als in ihrer doofen Babyunterhose nach Hause gehen. Sie würde liebend gern aus hundert Wunden verbluten, wenn sie dafür nicht sehen müsste, wie der Soldat
    (Anschließend bemüht Barbie sich, nicht mehr an diesen Soldaten zu denken; tut er es aber doch, denkt er »Hackermeyer das Hackermonster«.) den nackten Mann an dem Ding hochzieht (Kufiya) das er auf dem Kopf trägt, denn sie weiß, was als Nächstes kommt. Was immer als Nächstes kommt, wenn man unter dem Brennglas ist.
    Sie sieht, dass eines der Mädchen zurückgekommen ist. Kayla Bevins ist zurückgekommen. Sie steht da und sieht auf die dumme Julia Shumway herab, die sich für clever gehalten hat. Die dumme kleine Julia Shumway in ihrem Babyhöschen. Ist Kayla zurückgekommen, um ihr ihre restlichen Sachen wegzunehmen und aufs Dach des Musikpavillons zu werfen, damit sie nackt und mit beiden Händen vor dem Schritt nach Hause laufen muss? Warum sind Leute so gemein?
    Sie schließt die Augen, um aufquellende Tränen zu verdrängen, und als sie sie wieder öffnet, hat Kayla sich verändert. Sie hat jetzt kein Gesicht mehr, nur eine Art Lederhelm, der sich fortwährend verändert und kein Mitleid, keine Liebe, nicht einmal Hass erkennen lässt.
    Nur ... Interesse. Ja, genau das. Was passiert, wenn ich ... das hier tue?
    Mehr ist Julia Shumway nicht wert. Julia Shumway ist unwichtig; findet das Minderwertigste und sucht noch etwas tiefer, dann findet ihr sie: einen krabbelnden Shumway-Käfer. Sie ist auch ein nackter Gefangenenkäfer: ein Gefangenenkäfer in einer Turnhalle, dem nichts bleibt als die sich auflösende Kufiya auf seinem Kopf und darunter die Erinnerung an duftendes, frisch gebackenes Fladenbrot, das seine Frau ihm mit ausgestreckten Händen darbietet. Sie ist eine Katze mit brennendem Schwanz, eine Ameise unter einem Mikroskop, eine Fliege, die an einem Regentag gleich ihre Flügel unter den neugierig zupfenden Fingern eines Drittklässlers verlieren wird, ein Spielbrett für gelangweilte körperlose Kinder, vor deren Füßen das gesamte Universum liegt. Sie ist Barbie, sie ist Sam, der in Linda Everetts Van stirbt, sie ist Ollie, der in Ruß und Asche stirbt, sie ist Alva Drake, die um ihren toten Sohn trauert.
    Aber vor allem ist sie das kleine Mädchen, das ängstlich auf den splitterigen Brettern des Musikpavillons auf dem Stadtanger kauert, ein kleines Mädchen, das für seine unschuldige Arroganz bestraft worden ist, ein kleines Mädchen, das den Fehler gemacht hat, sich für groß zu halten, obwohl es klein war, sich für wichtig zu halten, obwohl es das nicht war, und zu glauben, die Welt mache sich etwas aus ihm, während die Welt in Wirklichkeit eine riesige seelenlose
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