Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
drei Schiffe das Mutternest verlassen
und waren ins Weltall geflogen. Es sollte eine Forschungsreise
werden. Man wollte bis dahin unbekannte Welten jenseits der Grenzen
des von Menschen besiedelten Weltraums ansteuern, um nach
höheren fremden Lebensformen zu suchen. Als Gerüchte von
einem Krieg die drei Schiffe erreichten, war eines von ihnen nach
Hause zurückgekehrt. Die beiden anderen waren weitergeflogen und
hatten noch viele Sonnensysteme besucht.
    So sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte nicht genau sagen,
was aus dem zweiten Schiff geworden war, das die Mission fortgesetzt
hatte. Sie spürte nur Trauer, tiefe Erschütterung, eine
schreiende Leere in ihrem Kopf, wo eigentlich viele Stimmen
hätten sein sollen.
    »Meine Besatzung?«
    »Dazu kommen wir noch«, sagte Skade wieder.
    »Und Clavain und Felka? Haben sie es geschafft? Wir hatten
uns im All von ihnen verabschiedet; sie sollten ins Mutternest
zurückkehren.«
    Skade ließ eine erschreckend lange Pause eintreten, bevor
sie endlich antwortete: »Sie sind zurückgekehrt.«
    Galiana hätte gern geseufzt, aber das war ihr nicht
möglich. Überrascht spürte sie, wie erleichtert sie
war; erst jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr die Ungewissheit
über das Schicksal ihrer Lieben sie belastet hatte.
    Nun folgten ein paar Atemzüge seliger Stille. Galiana sah
sich diese Skade genauer an. Manches war noch genau so wie bei den
Synthetikern ihrer eigenen Epoche. Die schlichten schwarzen
Schlafanzughosen etwa und die schwarze, lose gegürtete Jacke aus
seidig glänzendem Stoff, ohne jeden Zierrat und ohne
Rangabzeichen. Eine blasse, asketisch wirkende Frau, so mager, dass
sie fast ausgehungert wirkte. Das Gesicht war glatt wie eine
Wachsmaske – nicht unattraktiv, aber ohne die kleinen
Fältchen, die eine lebhafte Mimik verraten hätten. Kopf und
Gesicht waren völlig unbehaart, was ihr das Aussehen einer
unfertigen Puppe verlieh. So weit war sie wie tausend andere
Synthetiker: ohne Bewusstseinsverbindung und ohne die übliche
Wolke von projizierten Fantasien, die ihnen Individualität
verliehen, waren sie manchmal schwer auseinander zu halten.
    Dennoch hatte Galiana noch nie einen Synthetiker wie Skade
gesehen. Denn Skade hatte einen Mähnenkamm – ein steifes,
schmales Gebilde, das ihr zwei Zentimeter über der Nase aus der
Stirn wuchs und sich genau auf der Scheitellinie über den Kopf
nach hinten wölbte. Die Oberkante war hart und verknöchert,
aber die Seiten waren von wunderbar feinen senkrechten Rillen
durchzogen, die in allen Farben spielten: die kleinste Kopfbewegung
ließ Wellen von Stahlblau oder grellem Orange oder einen
Wasserfall von Regenbogentönen entstehen. Lichtbeugung war
freilich nicht die einzige Erklärung, denn Galiana sah auch dann
verschiedene Farben durch den Kamm pulsieren, wenn sich der
Einfallswinkel nicht veränderte.
    »Warst du immer schon so, Skade?«, fragte sie.
    Skade strich sich sanft über den Kamm. »Nein. Dies ist
eine Synthetikerprothese, Galiana. In deiner Abwesenheit ist manches
anders geworden. Die Besten von uns denken schneller, als du es dir
jemals hättest träumen lassen.«
    »Die Besten von euch?«
    »Das war nicht so gemeint. Aber bei einigen von uns
stößt der normale Körperbau an seine Grenzen. Die
Implantate in unseren Köpfen erhöhen die
Denkgeschwindigkeit auf das Zehn- bis Fünfzehnfache, aber dabei
entsteht zusätzliche Wärme, die der Körper nicht mehr
ableiten kann. Mein Blut wird zuerst in den Kamm und dann in das
Rillennetz gedrückt, wo es die überschüssige
Wärme abgibt. Durch die Rillen wird die Oberfläche
weitestmöglich vergrößert, außerdem können
sie durch leichte Bewegungen Luftströmungen erzeugen. Man sagt
mir, sie seien auch optisch ansprechend, aber das spielt keine Rolle.
Eigentlich haben wir uns das Prinzip bei den Dinosauriern abgeschaut.
Sie waren nicht so dumm, wie man oft glaubt.« Wieder strich sie
sich über den Kamm. »Aber keine Sorge, Galiana. Nicht alles
ist anders geworden.«
    »Wir hörten, es hätte einen Krieg gegeben«,
sagte Galiana. »Wir waren fünfzehn Lichtjahre entfernt, als
wir die Berichte erhielten. Zuerst natürlich die Seuche…
und dann dieser Krieg. Wir wurden nicht klug daraus. Die Berichte
behaupteten, wir wollten gegen die Demarchisten, unsere alten
Verbündeten, zu Felde ziehen.«
    »Das hatte schon seine Richtigkeit«, sagte Skade mit
leisem Bedauern.
    »Aber warum in Gottes Namen?«
    »Es war die Seuche. Sie hat die demarchistische
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher