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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche
Autoren: Alastair Reynolds
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Wesen. »Bevor ich sie
besetzte. Sie nannte uns – mein Bewusstsein – die
Wölfe. Wir erreichten und enterten ihr Schiff, nachdem wir das
andere zerstört hatten. Anfangs wussten wir nicht so recht, mit
wem wir es zu tun hatten. Erst als wir ihnen die Schädel
öffneten und ihr Zentralnervensystem in uns aufnahmen, erfuhren
wir mehr über sie. Wie sie dachten; wie sie sich
verständigten; was sie mit ihrem Geist angestellt
hatten.«
    Galiana versuchte sich zu bewegen, aber Skade hatte sie
längst paralysiert. Sie konnte nicht einmal schreien, denn der
Wolf – denn so hatte sie ihn tatsächlich genannt –
hatte sich ihrer Stimme vollkommen bemächtigt.
    Jetzt war alles wieder da.
    »Warum hast du sie nicht getötet?«, fragte
Skade.
    »Darum ging es doch nicht«, schalt der Wolf. »Die
Frage müsste anders lauten: Warum hat sie sich nicht selbst
getötet, als sie es noch konnte? Die Möglichkeit hatte sie;
es stand in ihrer Macht, das Schiff mit allen seinen Insassen zu
zerstören, sie brauchte es nur zu wollen.«
    »Und warum hat sie es nicht getan?«
    »Nachdem wir ihre Besatzung getötet hatten und sie
allein zurückgeblieben war, trafen wir eine Absprache. Sie war
bereit, sich nicht zu töten, wenn wir ihr gestatteten, nach
Hause zurückzukehren. Sie wusste, was das bedeutete. Sie wusste,
dass ich in ihren Schädel eindringen und ihre Erinnerungen
durchwühlen würde.«
    »Warum gerade sie?«
    »Sie war eure Königin, Skade. Nachdem wir die Gedanken
ihrer Besatzung gelesen hatten, war uns klar, dass sie diejenige war,
die wir wirklich brauchten.«
    Skade schwieg. Aquamarinblaue und jadegrüne Wellen rollten
langsam von der Stirn bis in den Nacken. »Sie wäre niemals
das Risiko eingegangen, dich zu uns zu führen.«
    »O doch, vorausgesetzt, sie hätte eine frühzeitige
Warnung für so wichtig gehalten, dass das Risiko dadurch
aufgewogen wurde. Sie ist uns entgegengekommen. Sie gab uns Zeit zu
lernen, und sie gab uns die Hoffnung, noch mehr zu erfahren. Die
Hoffnung hat sich erfüllt, Skade.«
    Skade legte den Finger an die Oberlippe und hielt ihn dann in die
Höhe, wie um zu prüfen, woher der Wind wehte. »Wenn
ihr wirklich eine Fremdintelligenz von solcher Überlegenheit
wärt, die wusste, wo wir zu finden waren, dann hättet ihr
uns doch schon längst heimgesucht.«
    »Sehr gut, Skade. Und in gewissem Sinne hast du sogar Recht.
Wir wissen nämlich nicht genau, wohin Galiana uns geführt
hat. Ich weiß es zwar, aber ich kann das Wissen nicht an
meinesgleichen weitergeben. Doch das spielt keine Rolle. Ihr seid
eine raumfahrende Zivilisation – in verschiedene Gruppierungen
zerfallen, gewiss, aber das ist für uns ohne Belang. Aus den
Erinnerungen, die wir getrunken haben, und aus anderen, in denen wir
noch schwimmen, wissen wir in etwa, welchen Raumabschnitt ihr
bewohnt. Ihr seid dabei, euch auszubreiten, die Oberfläche eurer
Expansionssphäre wächst geometrisch, und damit wird auch
die Wahrscheinlichkeit einer Begegnung mit uns ständig
größer. Zu einem Zusammentreffen ist es bereits gekommen,
und an anderen Punkten der Kugeloberfläche könnten
ähnliche Berührungen stattgefunden haben.«
    »Warum erzählst du mir das?«, fragte Skade.
    »Um dich zu erschrecken. Warum sonst?«
    Doch damit gab sich Skade nicht zufrieden. »Nein. Es muss
einen anderen Grund geben. Du willst mich glauben machen, du
könntest mir nützlich sein, nicht wahr?«
    »Wieso?«, schnurrte die Wolfsstimme belustigt.
    »Weil ich dich auf der Stelle töten könnte. Die
Warnung haben wir ja nun erhalten.«
    Hätte Galiana sich bewegen oder wenigstens mit den Augen
zwinkern können, sie hätte ein nachdrückliches
›Ja‹ signalisiert. Sie wollte sterben. Was hatte sie
denn noch, was das Leben lebenswert machte? Clavain war tot. Felka
war tot. Das stand für sie fest, ebenso fest wie ihre
Überzeugung, dass aller Erfindungsreichtum der Synthetiker nicht
ausreichen würde, um sie von dem Ding in ihrem Kopf zu
befreien.
    Skade hatte Recht. Sie hatte ihre Aufgabe erfüllt, hatte dem
Mutternest einen letzten Dienst erwiesen. Jetzt wusste das Nest, dass
die Wölfe im Weltall lauerten, dass sie menschliches Blut
gewittert hatten und wahrscheinlich schon dabei waren, sich
anzupirschen.
    Nichts sprach dagegen, ihr Leben sofort zu beenden. Der Wolf
würde immer wieder versuchen, aus ihrem Kopf zu entkommen, so
wachsam Skade auch sein mochte. Vielleicht könnte das Mutternest
sogar etwas von ihm erfahren, könnte ihm einen Hinweis auf
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