Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
herauskommen. Ich will dir etwas zeigen.«
    Er trat aus dem Zelt. Er hatte sich gerade so weit
aufgewärmt, dass ihn die Kälte wie mit tausend Nadelstichen
durchzuckte, aber etwas an Felkas Verhalten bewog ihn, das zu
verdrängen, so wie er einst gelernt hatte, im Kampf Schmerzen
oder Schwäche zu unterdrücken. Es war nicht wichtig; sein
Frösteln konnte warten, wie die meisten Dinge im Leben;
vielleicht erledigte es sich ja von selbst.
    Felka schaute auf das Meer hinaus.
    »Was gibt es?«, fragte er noch einmal.
    »Da, schau. Siehst du es?« Sie trat neben ihn und zeigte
ihm, wohin er den Blick richten sollte. »Sieh ganz genau hin,
dort, wo der Nebel sich lichtet.«
    »Ich weiß nicht, ob…«
    »Jetzt.«
    Da war es, wenn auch nur für einen flüchtigen Moment.
Der Wind hatte sich wohl etwas gedreht, seit sie das Zelt betreten
hatten, nun trieb er den Nebel in eine andere Richtung, und da und
dort entstanden kurz Lücken, durch die man weit aufs Meer hinaus
sah. Clavain erkannte die Fläche mit dem Mosaik aus
scharfkantigen Felstümpeln und dahinter das Boot, mit dem sie
angekommen waren. Jenseits davon bildete das Meer einen waagerechten,
schiefergrauen Strich, der immer mehr verschwamm, je weiter sich der
Blick dem Horizont näherte, um schließlich mit dem fahlen,
milchig trüben Grau des Himmels zu verschmelzen. Für einen
Moment tauchte dicht hinter dieser Grenze die Spitze der Sehnsucht
nach Unendlichkeit auf, ein Finger von etwas dunklerem Grau, der
sich nach oben hin verjüngte.
    »Es ist das Schiff«, sagte Clavain freundlich. Er wollte
Felka nicht enttäuschen.
    »Ja«, sagte sie. »Es ist das Schiff. Aber du
begreifst nicht. Es ist mehr als das, viel, viel mehr.«
    Allmählich wurde er unruhig.
»Tatsächlich?«
    »Ja. Ich habe das alles nämlich schon früher
gesehen.«
    »Früher?«
    »Lange bevor wir hierher kamen.« Sie wandte sich ihm zu,
strich sich das nasse Haar aus der Stirn und blinzelte, weil ihr das
Salzwasser in den Augen brannte. »Der Wolf, Clavain. Er zeigte
mir dieses Bild, als Skade uns zusammenbrachte. Damals wusste ich
nichts damit anzufangen. Aber jetzt ist mir alles klar. Es war gar
nicht der Wolf. Es war Galiana. Sie hatte mich erreicht, obwohl der
Wolf glaubte, sie unter Kontrolle zu haben.«
    Clavain wusste, was geschehen war, während Felka als Geisel
auf Skades Schiff weilte. Sie hatte ihm von den Experimenten
erzählt, und von den Begegnungen, bei denen sie einen kurzen
Blick in das Bewusstsein des Wolfs geworfen hatte. Aber davon hatte
sie nie etwas erwähnt.
    »Es muss eine zufällige Ähnlichkeit sein«,
sagte er. »Selbst wenn du eine Botschaft von Galiana erhalten
hättest, woher sollte sie wissen, was hier geschehen
würde?«
    »Ich weiß es nicht, aber es muss irgendeine
Möglichkeit gegeben haben. Es sind Informationen in die
Vergangenheit gelangt, sonst wäre dies alles nicht möglich.
Wir wissen nur, dass unsere Erinnerungen an diesen Ort – die
deinen oder auch die meinen – die Vergangenheit erreichen
werden. Mehr noch, sie werden Galiana erreichen.«
Felka bückte sich und berührte den Felsboden. »Das ist
der springende Punkt, Clavain. Wir sind nicht zufällig auf
diesen Planeten gestoßen. Galiana hat uns zu ihm geführt,
denn sie weiß, dass es für uns wichtig ist, ihn zu
finden.«
    Clavain fiel der Sender wieder ein, den Antoinette ihm soeben
gezeigt hatte. »Wenn sie tatsächlich hier gewesen
wäre…«
    Felka vollendete den Gedanken. »Wenn sie hier gewesen
wäre, hätte sie versucht, mit den Musterschiebern Kontakt
aufzunehmen. Sie hätte versucht, mit ihnen zu schwimmen.
Vielleicht ist der Versuch gescheitert… aber nehmen wir an, sie
hätte es geschafft, was wäre dann geschehen?«
    Die Lücke im Nebel hatte sich wieder geschlossen, der Turm im
Meer war nicht mehr zu sehen.
    »Ihre Neuralmuster wären gespeichert worden«, sagte
Clavain wie ein Schlafwandler. »Der Ozean hätte ihr Wesen
bewahrt, ihre Persönlichkeit, ihre Erinnerungen. Alles, was sie
war. Physisch hätte sie ihn wieder verlassen, aber eine
holographische Kopie von ihr wäre im Meer zurückgeblieben,
um irgendwann auf eine andere Intelligenz, ein anderes Bewusstsein
übertragen zu werden.«
    Felka nickte eifrig. »Denn das ist die Art der
Musterschieber, Clavain. Sie speichern alles, was in ihren Ozeanen
schwimmt.«
    Clavain schaute in die Ferne und hoffte, das Schiff noch einmal zu
sehen. »Dann wäre sie immer noch hier.«
    »Und wir bräuchten nur in diesem Ozean zu schwimmen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher