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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche
Autoren: Alastair Reynolds
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bin
nur… müde. Es ist Zeit, das Kämpfen anderen zu
überlassen. Ich war schon zu lange Soldat, Felka.«
    »Dann such dir einen anderen Beruf.«
    »Das meinte ich eigentlich nicht.« Er nahm sich zusammen
und sagte etwas lebhafter. »Hör zu, ich habe nicht vor,
gleich morgen oder nächste Woche zu sterben. Schließlich
bin ich es euch allen schuldig, diese Siedlung zum Laufen zu bringen.
Ich bin nur nicht überzeugt, dass ich noch da sein werde, wenn
Remontoire hier eintrifft. Aber wer weiß? Die Zeit wartet gern
mit unangenehmen Überraschungen auf. Das habe ich, weiß
Gott, schon oft genug erlebt.«
    Schweigend fuhren sie weiter. Das Meer war unruhig, und hin und
wieder mussten sie riesige seetangähnliche Knollen klebriger
Biomasse umschiffen, die erschreckend zielbewusst auf ihre
Annäherung reagierten. Doch endlich kam Land in Sicht, und wenig
später lief das Boot in einigen Fuß Tiefe auf felsigen
Grund.
    Sie mussten aussteigen und das letzte Stück ans Ufer waten.
Clavain zitterte jetzt vor Kälte. Das Boot schien sehr weit weg
zu sein, und von der Sehnsucht nach Unendlichkeit war nichts
mehr zu sehen.
    Vor ihnen lag eine mit Felstümpeln übersäte
Fläche, ein Mosaik von grau glänzenden Spiegeln. Antoinette
kam ihnen entgegen. Sie vermied es sorgsam, in die Pfützen zu
treten. Hinter ihr erhob sich auf einer Anhöhe das erste Lager:
ein kleines Dorf aus Kuppelzelten, die mit Haken im felsigen
Untergrund festgemacht waren.
    Clavain malte sich aus, wie es hier in zwanzig Jahren aussehen
mochte.
    Auf der Sehnsucht nach Unendlichkeit befanden sich mehr als
hundertsechzigtausend Menschen. Sie konnten unmöglich alle auf
einer Insel Platz finden. Eine ganze Kette von Siedlungen musste
entstehen – fünfzig vielleicht, mit einigen zentralen
Einrichtungen auf den ausgedehnteren Landflächen, wo es
trockener war. Sobald diese Siedlungen standen, konnte die Arbeit an
den schwimmenden Kolonien beginnen, in denen die Menschen auf Dauer
untergebracht werden sollten. An Arbeit würde es nicht mangeln.
Jede Hand wurde gebraucht. Clavain glaubte, sich ebenfalls beteiligen
zu müssen, hatte aber nicht das Gefühl, dies sei seine
Bestimmung.
    Eigentlich hatte er seine Bestimmung bereits erfüllt.
    »Antoinette«, sagte er, um Felka zu helfen, da sie die
Frau sonst nicht erkannt hätte, »wie sieht es denn auf dem
Festland so aus?«
    »Es gibt schon die ersten Schwierigkeiten, Clavain.«
    Er hob die Augen nicht vom Boden, um nicht zu stolpern.
»Inwiefern?«
    »Viele von den Leuten sind nicht begeistert von der
Vorstellung, hier sesshaft zu werden. Sie haben sich Thorns
Exodus-Bewegung angeschlossen, weil sie nach Hause zurück
wollten, nach Yellowstone. Sie hatten nicht vor, auf einer
unbewohnten Schlammkugel von einem Planeten zu stranden.«
    Clavain nickte geduldig und stützte sich auf Felka wie auf
einen Gehstock. »Haben Sie ihnen erklärt, dass sie tot
wären, wenn wir sie nicht mitgenommen hätten?«
    »Nun ja, Sie wissen ja, wie das ist. Manchen Leuten kann man
es eben nicht recht machen.« Sie zuckte die Achseln. »Ich
wollte Sie nur etwas aufheitern, falls Sie gedacht haben sollten, von
jetzt an ginge alles glatt.«
    »Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen. Vielleicht
könnte uns jetzt jemand die Insel zeigen?«
    Felka half ihm, sich auf ebeneres Gelände vorzutasten.
»Antoinette, wir sind nass und durchgefroren. Gibt es hier
irgendwo einen Ort, wo es warm und trocken ist?«
    »Sie brauchen mir nur zu folgen. Wir haben sogar Tee auf dem
Feuer.«
    »Tee?«, fragte Felka misstrauisch.
    »Aus Seetang. Einheimisches Erzeugnis. Aber keine Sorge,
bisher ist noch niemand daran gestorben, und mit der Zeit
gewöhnt man sich auch an den Geschmack.«
    »Dann fangen wir am besten gleich damit an«, sagte
Clavain.
    Sie folgten Antoinette in das Zeltdorf. Überall waren
Menschen dabei, neue Zelte aufzustellen und über
schlangenähnliche Energiekabel mit Generatoren zu verbinden, die
wie Schildkröten aussahen. Antoinette führte sie in ein
Zelt und schloss die Klappe hinter ihnen. Drinnen war es wärmer
und trockener, aber Clavain fühlte sich dadurch nur noch nasser
und fror mehr als zuvor.
    Und das für die nächsten zwanzig Jahre, dachte er.
Gewiss, sie würden vollauf mit Überleben beschäftigt
sein, aber konnte man einen reinen Existenzkampf noch als Leben
bezeichnen? Die Schieber mit ihrer Flut von uralten kosmischen
Rätseln mochten sich als unerschöpflicher Quell der
Faszination erweisen, aber vielleicht
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