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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche
Autoren: Alastair Reynolds
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»Nicht?«
    »Denk an die beiden Schiffe, die den Kampf überlebt
haben. Sie sind dabei, langsam aber sicher kehrtzumachen und die
Verfolgung aufzunehmen.«
    Clavain lachte laut auf. »Aber die Wende wird Lichtjahre
beanspruchen.«
    »Mit der Technik zur Trägheitsunterdrückung
sicherlich nicht. Aber die Anlage wurde wohl beim Kampf
beschädigt. Was allerdings nicht heißt, dass man sie nicht
wieder reparieren könnte.« Sie warf einen Blick auf Skade,
aber das Abbild zeigte keine Reaktion, sondern stand reglos wie eine
Statue am Wasser, ein etwas makabrer Ziergegenstand zur
Verschönerung der Lichtung.
    »Wenn es möglich ist, wird es auch geschehen«,
sagte Clavain.
    Felka nickte. »Das Triumvirat ließ Simulationen
erstellen. Unter bestimmten Bedingungen können wir –
jedenfalls in unserem Bezugsrahmen – den Verfolgern
davonfliegen, so lange du willst. Wir brauchen uns nur immer
näher an die Lichtgeschwindigkeit heranzutasten. Aber ich halte
das für keine gute Lösung.«
    »Ich auch nicht.«
    »Und praktisch ist sie auch nicht. Wir müssen irgendwann
Halt machen, um Reparaturen durchzuführen, und zwar schon bald. Deshalb haben wir dich geweckt, Clavain.«
    Clavain ging zu seinem Baumstumpf zurück und ließ sich
mit knirschenden Gelenken darauf nieder. »Eine Entscheidung kann
man nur treffen, wenn mehrere Möglichkeiten zur Auswahl stehen.
Ist das der Fall?«
    »Ja.«
    Er wartete geduldig und lauschte dem beruhigenden Rauschen des
Wasserfalls. »Nun?«
    Felka flüsterte, als wäre sie in einer Kirche. »Wir
haben einen weiten Weg zurückgelegt, Clavain. Das
Resurgam-System liegt neun Lichtjahre hinter uns, sonst gibt es auf
fünfzehn Lichtjahre im Umkreis keine besiedelte Kolonie mehr.
Aber genau vor uns liegt ein Sonnensystem. Ein Doppelgestirn. Zwei
kühle Sonnen, die weit auseinander stehen, aber die eine hat
Planeten in stabilen Umlaufbahnen gebildet. Reife Welten, mindestens
drei Milliarden Jahre alt. Ein Planet in der bewohnbaren Zone hat
zwei kleine Monde. Es gibt Anzeichen für eine
Sauerstoffatmosphäre und große Mengen Wasser. In der
Atmosphäre sind sogar Chlorophyllbänder zu
erkennen.«
    »Menschliches Terraformen?«, fragte Clavain.
    »Nein. Nichts weist darauf hin, dass sich jemals Menschen im
Umkreis dieser Sonnen niedergelassen hätten. Damit bleibt, denke
ich, nur eine Möglichkeit.«
    »Die Musterschieber.«
    Sie freute sich sichtlich, dass er selbst darauf gekommen war.
»Wir haben immer gewusst, dass wir auf weitere Schieberwelten
stoßen würden, wenn wir uns weiter in die Galaxis
hinauswagten. Deshalb ist die Überraschung eigentlich gar nicht
so groß.«
    »Genau vor uns? Einfach so?«
    »Nicht ganz, aber ziemlich genau vor uns. Wenn wir abbremsen,
können wir die Welt anfliegen. Falls sie mit den anderen
Schieberwelten irgendetwas gemeinsam hat, könnte es sogar
trockenes Land geben, auf dem ein paar Siedler Platz
finden.«
    »Wie viele sind ein paar?«
    Felka lächelte. »Das werden wir erst sehen, wenn wir
dort sind.«
    * * *
    Clavain traf seine Entscheidung – oder segnete vielmehr die
naheliegendste Möglichkeit ab – und legte sich wieder
schlafen. Er hatte nur wenige Ärzte in seiner Mannschaft, und
die hatten keine formale Ausbildung genossen, sondern waren nur in
aller Eile mit Speicherwissen aufgerüstet worden. Dennoch
glaubte er ihnen, als sie feststellten, er könne wohl nicht mehr
als ein bis zwei weitere Einfrier- und Auftauzyklen
überleben.
    »Aber ich bin ein alter Mann«, sagte er. »Wenn ich
warm bleibe, halte ich wahrscheinlich auch nicht lange
durch.«
    »Die Entscheidung kannst du nur selbst treffen«,
erklärte man ihm. Das half ihm wenig.
    Er wurde eben alt, das war nicht zu ändern. Seine Gene waren
vorsintflutlich. Seit er den Mars verlassen hatte, hatte er zwar
mehrere Verjüngungsprogramme durchlaufen, aber die hatten die
Uhr nur zurückgedreht. Danach tickte sie weiter. Im Mutternest
hätte man ihm auf Wunsch noch ein halbes Jahrhundert virtueller
Jugend verschaffen können… aber dieser Radikaltherapie
hatte er sich nie unterzogen. Nachdem Galiana nach ihrer seltsamen
Rückkehr so unerreichbar zwischen Tod und Leben
dahindämmerte, hatte er sich nicht mehr dazu durchringen
können.
    Er war nicht einmal sicher, ob er es bereute. Hätten sie sich
zu einer voll entwickelten Kolonialwelt schleppen können, auf
der die Schmelzseuche noch nicht gewütet hatte, dann hätte
es vielleicht noch Hoffnung für ihn gegeben. Aber wozu? Galiana
war nicht mehr.
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