Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
Synthetikerart
kommunizieren zu können. Sie schickte Bilder in seinen Kopf,
Ansichten vom Tod Resurgams, Ansichten der letzten Stunden, als die
Wolfsmaschine – wie die Unterdrücker-Waffe inzwischen
allgemein genannt wurde – ihr Gravitationsloch ins Herz der
Sonne bohrte und eine unsichtbare Kürette tief in den Kern und
das nukleare Brennen einführte. Sie hatte einen sehr schmalen
Tunnel eröffnet, am tiefsten Punkt nur wenige Kilometer breit,
und die Sonne zur Ader gelassen. Aber es war nicht zu einer
unkontrollierbaren Blutung bekommen. Die Fusionsmaterie war nur in
einem dünnen Strahl aus dem Kern gespritzt, einer Säule aus
abkühlendem Höllenfeuer, die, immer breiter werdend, mit
halber Lichtgeschwindigkeit von der Sonnenoberfläche ins All
schoss. Sie wurde mit Stößen der gleichen
Gravitationsenergie, mit der man den Stern zuvor angebohrt hatte,
eingedämmt und in einer langgezogenen Parabel auf Resurgams
Tagseite gelenkt. Die Säule hatte einen Durchmesser von tausend
Kilometern, als das Sternenfeuer auf den Planeten traf. Die
Katastrophe trat praktisch sofort ein. Als Erstes verdampfte die
Atmosphäre, wenige Augenblicke später folgten die Eiskappen
an den Polen und die wenigen offenen Wasserflächen. Ihrer
schützenden Luftschicht beraubt, begann die trockene Kruste zu
schmelzen. Der Strahl riss eine kirschrote Wunde in das Antlitz des
Planeten und setzte die Kruste bis in viele Kilometer Tiefe in Brand.
Ein Schwall von kochendem Gestein schoss ins All. Schockwellen vom
ersten Aufprall breiteten sich über die ganze Welt aus und
vernichteten das Leben auf der Nachtseite: alle Menschen und alle
Organismen, die sie nach Resurgam gebracht hatten. Doch auch ohne die
Schockwellen hätten sie nicht lange überlebt. Wenige
Stunden später drehte sich die Nachtseite des Planeten der Sonne
zu. Die Energievorräte im Kern waren kaum angegriffen, die
glühende Materie schoss weiter durch das All. Resurgams Kruste
verbrannte, und der Strahl fraß sich weiter in den
Planetenmantel.
    Nach drei Wochen war der Planet zu einem rotglühenden,
rauchenden Stück Kohle zusammengeschrumpft und hatte nur noch
vier Fünftel seiner einstigen Größe. Nun suchte sich
der Strahl ein neues Ziel, eine andere Welt, und begann dort sein
mörderisches Werk. Mit der Zeit würde Delta Pavonis so weit
ausbluten, dass nur noch eine kühlere Schale übrig bliebe,
und wenn genug Materie abgeflossen wäre, käme die Fusion
jäh zum Stillstand. Noch sei es nicht so weit, sagte Felka
– jedenfalls nach den Lichtsignalen zu urteilen, die sie aus dem
System erreichten –, aber auch dieses Ereignis verspräche
sehr stürmisch zu werden.
    »Du siehst«, sagte Felka, »wir hatten sogar noch
Glück, dass wir so viele retten konnten. Dass die anderen
sterben mussten, war nicht deine Schuld. Wir haben den Umständen
entsprechend richtig gehandelt. Sich deshalb Vorwürfe zu machen,
ist unvernünftig. Wären wir nicht gekommen, dann wären
vielleicht tausend andere Dinge passiert. Skades Flotte wäre in
jedem Fall eingetroffen, und sie wäre zu Verhandlungen sicher
nicht mehr bereit gewesen als du.«
    Clavain erinnerte sich an den hässlichen Blitz, mit dem ein
Raumschiff verglüht war, und er erinnerte sich auch, dass er mit
der Entscheidung zur Zerstörung der Nachtschatten auch
Galianas endgültigen Tod sanktioniert hatte. Der Gedanke
schmerzte noch immer.
    »Skade ist tot, nicht wahr? Ich habe sie getötet, im
interstellaren Raum. Die anderen Schiffe ihrer Flotte handelten
autonom, auch als wir sie angriffen.«
    »Alles war autonom«, sagte Felka. Es klang
ausweichend.
    Clavain beobachtete einen Ara, der von Baum zu Baum flatterte.
»Ich habe nichts dagegen, in strategischen Fragen zu Rate
gezogen zu werden, aber ich will keine Führungsposition auf
diesem Schiff. Zum einen ist es nicht mein Schiff, auch wenn
Volyova das anders gesehen haben mag. Ich bin zu alt, um ein Kommando
zu übernehmen. Und was soll das Schiff denn auch mit mir? Es hat
doch seinen Captain.«
    Felkas Stimme war leiser geworden. »An den Captain erinnerst
du dich also?«
    »Ich weiß, was Volyova uns erzählt hat, aber ich
kann mich nicht erinnern, jemals selbst mit ihm gesprochen zu haben.
Sie sagte, er halte alle Fäden in der Hand. Ist das immer noch
so?«
    Wieder klang die Antwort zurückhaltend. »Kommt darauf
an, was du darunter verstehst. Seine Infrastruktur ist noch intakt,
aber seit wir das Delta Pavonis-System verlassen haben, ist er nicht
mehr als bewusste
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher