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Die Arbeit der Nacht

Die Arbeit der Nacht

Titel: Die Arbeit der Nacht
Autoren: Thomas Glavinic
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nichts geschah. Er stieß mit den Füßen danach. Schließlich öffnete er ihn. Eine elektrische Gitarre lag darin. Wasser war in den Koffer eingedrungen. Offenbar hatte es auch hier stark geregnet.
    Eine Weile ging er umher. Im Gras wurden seine Hosenbeine bis zu den Knien feucht. Er befand sich in der Nähe der Autobahnauffahrt. Es war nicht unwahrscheinlich, daß diese Stelle von Anhaltern genützt wurde. So rief er, drückte energisch die Hupe. Er entdeckte weggeworfene Getränkedosen, Kippen, Präservative. Unter seinen Schuhen quatschte die nasse Erde.
    Er lehnte sich gegen die Beifahrertür.
    Alles konnte, nichts mußte Bedeutung haben. Vielleicht war dieser Koffer von einem Autodach gefallen. Vielleicht war er Gepäck eines Menschen gewesen, der an dieser Stelle verschwunden war. Warum und wie auch immer verschwunden war.
    Die Sonne sank hinter die Festung, als er am Salzburger Hauptbahnhof vorbeikam. Hupend rollte er über den Bahnhofsplatz, dann fuhr er zur Wohnung seiner Tante nach Parsch. Er brauchte einige Zeit, um den Weg zu finden. Als er endlich in der Apothekerhofstraße ankam, läutete er, und als sich niemand meldete, stieg er wieder ins Auto. Aufschlußreiches würde er in der Wohnung der Tante nicht finden, und so ersparte er sich die Mühe, die Tür aufzubrechen.
    Er fuhr nach Freilassing.
    Niemand.
    Niemand.
    Weil er es kaum glauben konnte, kreiste er eine Stunde durch den Ort. Insgeheim war er davon ausgegangen, spätestens auf deutschem Boden Menschen zu treffen. Er hatte Militär erwartet. Vielleicht Zelte mit Flüchtlingen. Möglicherweise sogar Panzer oder Menschen in ABC-Schutzanzügen. Auf alle Fälle Zivilisation.
    Er stellte den Motor ab. Auf die Hinweisschilder starrend, die den Weg zur Autobahn nach München beschrieben, trommelte er mit den Fingern gegen das Lenkrad.
    Wie weit sollte er denn fahren?
    Am Mobiltelefon wählte er die Nummer einer Möbelfirma, die nahe Köln ansässig war. Es läutete. Dreimal, viermal, fünfmal. Ein Anrufbeantworter schaltete sich ein.
    Als er vor dem Salzburger Marriott-Hotel parkte, war es dunkel geworden. Er nahm sein Gepäck, warf den Zangenarm hinein. Steckte das Messer in die Hosentasche. Er sperrte ab, spähte nach allen Seiten. Er horchte. Kein Laut. Ganz in der Nähe mußten Sträucher stehen. Es roch frisch nach Blüten, doch er erkannte den Duft nicht.
    Durch die Drehtür stolperte er ins Hotel. Es war so finster, daß er mit den Füßen an den schweren Läufern hängenblieb und mit der Tasche einen Stehaschenbecher umwarf.
    An der Rezeption brannte ein Lämpchen. Er stellte die Tasche ab, zückte das Messer, starrte in die Dunkelheit der Lobby. Ohne hinzusehen, tastete er mit der freien Hand nach dem Lichtschalter.
    Er zwinkerte.
    Nachdem sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten, fiel ihm die Stereoanlage auf, die neben einem Breitbildfernseher in einem Schrank stand. Auf dem Deck lag eine leere CD-Hülle. Natürlich Mozart. Jonas drückte die Playtaste. Es dauerte eine Weile, bis die ersten Töne erklangen.
    Er nahm die Anlage in Augenschein. Ein wertvolles Gerät, teurer, als er es sich je hätte leisten wollen, mit allen erdenklichen Extras. Die CDs wurden automatisch gereinigt. Außerdem hatte die Anlage einen Repeat-Knopf. Er drückte ihn und drehte die Lautstärke hoch. Er zog den Kopf ein.
    Auf einen Zettel schrieb er: Hier ist jemand. 6 . Juli . Gut sichtbar befestigte er ihn neben der Eingangstür. Dann schob er einen Fauteuil in die Tür, so daß sie sich nicht mehr schließen konnte und die Musik auf die Straße drang.
    Während er an der Rezeption wahllos Zimmerschlüssel einsammelte, hatte er das Gefühl, gleich vom Schall aus den Boxen umgeworfen zu werden. Eine solche Kraft aus einer gewöhnlichen Heimanlage hatte er noch nie erlebt. Sein Herz pochte wie nach einem Dauerlauf. Ihm wurde ein wenig übel. Er war froh, als ein Dutzend Schlüssel und Anhänger in seiner Tasche gegeneinanderklapperten und er sich diesem Lärm entziehen konnte.
    Das Zimmer zum Übernachten fand er im obersten Stock, den er zu Fuß erreicht hatte, weil er sich dem knarrenden Lift nicht anvertrauen wollte. Es war eine Suite mit drei durch Zwischentüren voneinander getrennten Räumen und einem weitläufigen Bad, in dem er über geheizte Marmorkacheln tappte. Von der Musik aus der Lobby war bei geschlossener Tür nichts zu hören. Öffnete er sie jedoch, konnte er die Einsätze verschiedener Instrumentengruppen voneinander unterscheiden.
    Er
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