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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft
Autoren: Dirk van Den Boom
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auf dem Feld auch gewesen waren, eine blutige Nase geholt. Sie mussten einiges lernen, und ganz oben auf Godegisels Liste war die Notwendigkeit, Belagerungsgerät errichten und richtig einsetzen zu können.
Fritigern und seine engeren Gefolgsleute hausten derzeit in einer verlassenen Landvilla, die sicher irgendeinem reichen römischen Schnösel gehört hatte, aber vom Verwalter und seinen Leuten aufgegeben worden war, als sich die Goten genähert hatten. Es hatte Nahrung gegeben, sogar Wein, und so hatte der gotische Anführer hier ein temporäres Hauptquartier aufgeschlagen, während seine Unterführer versuchten, den gotischen Tross zusammenzuhalten und zu verhindern, dass sich alle aufteilten und individuell ihr Glück suchten. Damit würden sie eine nur allzu leichte Beute für die römischen Streitkräfte werden, wie wenig auch immer von diesen noch übrig waren.
»Die Hunnen machen uns Probleme, Richter«, sagte Godegisel nun. »Ich habe mit ihrem Anführer gestern noch gesprochen. Heute höre ich, dass er tot in seinem Zelt gefunden wurde und ein neuer die Reiter anführt. Wie können wir auf diese Art und Weise eine Allianz aufrechterhalten?«
»Woher soll ich das wissen? Uns verbindet mit den Hunnen lediglich, dass sie ebenso wie wir dem Vormarsch ihres Hauptvolkes entflohen sind. Sie sind Rebellen, wir sind Opfer. Wahrscheinlich fühlen sie sich uns im Grunde überlegen. Es würde mich nicht wundern, wenn sie eines Tages zu ihrem Anführer zurückkehren, insbesondere dann, wenn er weiter so erfolgreich ist wie jetzt. Ich würde mich auch dann nicht auf sie als Bundesgenossen verlassen, wenn sie ihre Häuptlinge weniger schnell austauschen würden.«
Godegisel konnte, wie so oft, der Argumentation Fritigerns wenig entgegensetzen. »Also soll ich es nicht weiter versuchen?«
»Doch, doch. Rede mit jedem neuen Anführer, der aus ihren Zelten tritt. Schmeichle ihnen und verstehe ihre Anliegen. Ich möchte nicht, dass sie sich zu früh gegen uns wenden. Die Hunnen sind wilde Krieger, aber keine Narren. Sie werden erkennen, dass sie ohne den Schutz aller drei Völker, die in unserer Allianz vereint sind, im Römischen Reich keine Zukunft haben. Wir sind aufeinander angewiesen. Wenn sie losreiten, um Beute zu machen, werden sie irgendwann, wenn die Römer sich wieder berappelt haben, auf einen Gegner treffen, bei dem sie auf Granit beißen.«
»Gut, ich werde weiter mit ihnen reden. Wann meint Ihr, dass die Römer wieder einen Anführer von Wert haben werden?«
Fritigern schaute Godegisel warnend an.
»Du neigst dazu, Rom zu unterschätzen, mein Freund. Du glaubst, die Leute seien ohne Führer? Der Kaiser des Westens ist nun Kaiser des ganzen Reiches. Er verfügt über eine völlig intakte Armee, die, wenn ich richtig gehört habe, unlängst einen alemannischen Angriff erfolgreich abgewehrt hat. Gratian hat fähige Generäle und scheint im Gegensatz zu seinem Onkel gutem Rat gegenüber durchaus aufgeschlossen zu sein. Wir haben eine Hälfte des gegnerischen Bewegungsheeres im Feld besiegt, das ist wahr. Wir haben nicht eine Stadt eingenommen, wir ziehen plündernd durch das Land. Während die Offiziere des Ostens in aller Ruhe eine neue Armee aufstellen und Gratian seine Truppen gegen uns führen kann, haben wir … gar nichts. Unsere Leute sind euphorisch – viel zu euphorisch. Als sei mit dem Sieg nun alles für uns entschieden. Ich sage dir, was wir maximal erreicht haben, ist eine gute Verhandlungsposition.«
»Ihr wollt verhandeln, Richter?« Unglauben klang aus Godegisels Stimme.
»Aber ja. Die Römer werden ihre Gesandten schicken und uns eine einvernehmliche Lösung vorschlagen. Sobald wir sie genug in die Verzweiflung getrieben haben. Wir werden weiter die Landstriche durchmessen und leerplündern. Die Landbevölkerung wird voller Angst in die Städte strömen. Hungersnöte werden ausbrechen. Ihre Städte sind vor uns sicher, aber innerhalb ihrer Mauern werden sich furchtbare Dinge abspielen. Und wir brauchen noch einen schönen militärischen Sieg. Einen mehr noch, Godegisel, damit wir den Römern den Dolch auf die Brust setzen und Friedensbedingungen zu unseren Gunsten aushandeln können. Die Gefahr durch die Hunnen, die uns hierher getrieben hat, ist real.«
Fritigern beugte sich nach vorn. »Wir brauchen Rom, Godegisel, denn wir benötigen den Schutz seiner starken Mauern. Und Rom braucht uns, denn sie benötigen den starken Arm unserer Krieger. Es wird nur eine Weile dauern, bis die Römer das
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