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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft
Autoren: Katja Piel
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unsichtbar: Niemand sah verstohlen in meine Richtung. Männer pfiffen nicht, Frauen taxierten mich nicht. Die Blondine war Geschichte, und burschikose Brünette erregten kein Aufsehen. Eigentlich erleichternd, und es sprach für Lisas Geschick bei meiner Verwandlung, aber ich wusste jetzt schon, dass ich mein Leben als umwerfende Blondine vermissen würde.
    Die U-Bahn kam und hielt mit kreischenden Bremsen. Ich stieg ein und musterte meine Mitreisenden verstohlen. Saß nicht doch irgendwo ein Werwolf? War man mir schon auf der Spur? Ich konzentrierte mich auf meinen Geruchssinn, doch außer dem typischen U-Bahn-Staub, altem Schweiß und süßem Deo lag nichts in der Luft.
    An der Haltestelle Messe war deutlich mehr los. Ströme von Pendlern drängten sich die Treppen hinauf und hinunter und verstopften die Rolltreppe. Ich arbeitete mich nach oben in die Halle durch und fand erst einmal heraus, wie ich fahren musste, um mein Ziel zu erreichen. Hier, umgeben von Menschen, fühlte ich mich etwas sicherer. Meine Geruchsspur wurde besser zerstreut, und ich konnte in der Menge untertauchen, wenn jemand mir verdächtig erschien.
    Was zunächst nicht passierte. Ich fuhr bis zum Hauptbahnhof und von dort aus weiter Richtung Hanau. An einer riesigen Kreuzung kam ich wieder aus dem unterirdischen Labyrinth, orientierte mich kurz und schwenkte dann in eine lange Straße ein, die von Autohändlern, Videotheken und Schnellrestaurants gesäumt war. Dann ging es rechts in die Scheierstraße. Die Hausnummer Neun war ein Flachbau, der einen Teppichdiscounter beherbergte. Nach kurzem Suchen fand ich den Weg ums Haus herum, und dort waren tatsächlich Klingeln.
    Bei Bergers empfing mich - Sam. Ich fiel ihm in die Arme, und wir hielten uns eine Weile einfach nur fest.
    "Schick siehst du aus", flüsterte er mir ins Ohr. "Hast du auch einen Namen?"
    "Aysha."
    "Also sollen wir dir eine türkische Staatsbürgerschaft in deinen neuen Pass reinschreiben?"
    "Lieber nicht. Dafür ist mein Türkisch nicht fließend genug."
    Er hielt mich auf Armeslänge von sich entfernt und sah mich an.
    "Verblüffend. Du siehst dir selbst überhaupt nicht mehr ähnlich. Was ist mit deiner Nase?"
    "Silikonkissen. Für eine Schönheits-OP war keine Zeit."
    Er lächelte flüchtig und schob mich in den kleinen Raum.
    "Das ist Hermann", stellte er mir den etwas bierbäuchigen Mittfünfziger vor, der mit Licht und Kamera werkelte. "Er wird die Fotos für deine neuen Papiere machen. Danach kannst du erst mal hierbleiben, bis wir einen anderen Ort für dich gefunden haben."
    "Tach", sagte Hermann. "Bitte auf den Stuhl unter die Lampe. Blick gerade, Mund geschlossen. Soll nicht hübsch sein, soll isometrisch sein."
    Ich tat wie mir geheißen, und er knipste drauflos. Er hatte ein Profigerät, so viel erkannte ich durch meine Ausflüge ins Modelbusiness.
    Ich fragte mich, ob er hier wohnte, und ob ich wirklich hier in seiner Gesellschaft bleiben musste. Aber Ansprüche hatte ich wohl nicht zu stellen, in meiner Lage.
    Hermann war gerade fertig mit mir, als Sams Handy einen Piepton von sich gab. Er riss es aus der Hosentasche und starrte darauf.
    "Ich muss los", sagte er, plötzlich in höchster Aufregung.
    "Was ist? Wohin?"
    "Eine Nachricht abholen. ich habe einen Hinweis bekommen, dass sie hinterlegt wurde."
    "Mach's einfach noch geheimnisvoller!"
    Er seufzte.
    "Es geht um Alexa."
    "Und dein Vater..."
    "Es hat mit meinem Vater nichts zu tun. Ich weiß, wo die Nachrichten hinterlegt werden. Ich habe selbst immer mal wieder eine abgeholt, im Auftrag des Ordens. Jetzt habe ich jemanden beauftragt, die Kontaktstelle unauffällig zu beobachten... weil ich sofort diese Nachricht haben will!"
    "Und von wem ist sie?"
    "Wenn alles gut geht, von Adam. Und wenn alles noch besser geht, steht drin, wohin sie Alexa gebracht haben. Also, Anna - Aysha - ich muss los."
    "Ich komme mit."
    "Was? Nein!"
    Ich baute mich vor ihm auf.
    "Versuch, mich daran zu hindern. Wenn es um Alexa geht, ist es auch meine Sache."
    Er seufzte und nickte.
    "Morgen früh könnt ihr den Reisepass abholen", sagte Hermann. "Ist mir egal wer. Bringt nur einfach das Geld mit."
    "Super", sagte Sam. "Danke. Machen wir."

    Er hatte seinen klapprigen Golf um die Ecke geparkt. Nach einer halsbrecherischen Fahrt über diverse Stadtautobahnen hielten wir zu meinem Erstaunen auf dem Uni-Parkplatz. Sam stieg aus und zog mich hinter sich her zum Informatik-Gebäude.
    Der Campus war hell erleuchtet. In einigen Seminarräumen
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