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Die Ameisen

Die Ameisen

Titel: Die Ameisen
Autoren: Bernard Werber
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bedaure es …«
    »Hm. Verstehe. Auf jeden Fall gehörte Edmond zu den Leuten, die ein lebendiges Geheimnis darstellen.«
    »Kannten Sie ihn gut?«
    »Wer kann schon behaupten, jemanden zu kennen? Sagen wir, daß unsere Körper oft Seite an Seite gingen und daß keiner von uns etwas dagegen hatte.«
    »Wo sind Sie einander begegnet?«
    »An der Universität, am Institut für Biologie. Ich habe mich mit Pflanzen herumgeplagt, er mit Bakterien.«
    »Immerhin zwei ähnlich gelagerte Welten.«
    »Ja, nur daß meine trotz allem wilder ist«, korrigierte ihn Jason Bragel und deutete auf das Wirrwarr von Pflanzen, das sich über das ganze Eßzimmer erstreckte. »Sehen Sie die? Die sind allesamt Kontrahenten, bereit, sich gegenseitig für einen Lichtstrahl oder einen Tropfen Wasser umzubringen. Kaum ist ein Blatt im Schatten, stößt die Pflanze es ab, und die benachbarten Blätter wachsen breiter. Die Pflanzen, das ist wirklich eine Welt ohne Erbarmen …«
    »Und Edmonds Bakterien?«
    »Er selbst hat erklärt, daß er nur seine Vorfahren studiere.
    Sagen wir, daß er seinen Stammbaum etwas weiter zurückverfolgte als andere …«
    »Und weshalb Bakterien? Warum nicht Affen oder Fische?«
    »Er wollte die Zelle in ihrem Urzustand verstehen. Da der Mensch nur ein Konglomerat von Zellen ist, meinte er die
    ›Psychologie‹ einer Zelle von Grund auf verstehen zu müssen, um daraus das Funktionieren des Ganzen abzuleiten. ›Ein großes, komplexes Problem ist in Wirklichkeit nur die Summe kleiner, einfacher Probleme.‹ Er hat diese Weisheit wörtlich genommen.«
    »Hat er nur über Bakterien gearbeitet?«
    »Nein, nein. Er war eine Art Mystiker, ein wahrer Generalist, am liebsten hätte er alles gewußt. Er hatte auch seine Schrullen
    … Zum Beispiel wollte er seinen eigenen Herzschlag kontrollieren.«
    »Das ist doch unmöglich!«
    »Angeblich bringen einige hinduistische und tibetanische Yogis dieses Wunder zustande.«
    »Und was hat man davon?«
    »Keine Ahnung … Er wollte dahin gelangen, um jederzeit Selbstmord begehen zu können, indem er nur mit seiner Willenskraft sein Herz anhalten würde. Auf diese Weise glaubte er in der Lage zu sein, das Spiel jederzeit abzubrechen.«
    »Und zu welchem Zweck?«
    »Vielleicht hatte er Angst vor den Schmerzen, die mit dem Alter einhergehen.«
    »Hmm … Und was hat er nach seiner Habilitationi n Biologie gemacht?«
    »Er hat in der Wirtschaft gearbeitet, in einer Firma, die lebende Bakterien für Joghurts herstellte. Die ›Sweetmilk Corporation‹. Das hat sich für ihn gelohnt. Er hat eine Bakterie entdeckt, die nicht nur einen Geschmack, sondern auch noch einen Geruch entwickelte! Er hat dafür den Preis für die beste Erfindung des Jahres 1963 erhalten …«
    »Und danach?«
    »Danach hat er eine Chinesin geheiratet. Ling Mi. Ein sanftes, fröhliches Mädchen. Er, der Brummbär, ist auf der Stelle umgänglicher geworden. Er war sehr verliebt. Von da an habe ich ihn seltener gesehen. Das ist geradezu klassisch.«
    »Ich habe gehört, er sei nach Afrika gegangen.«
    »Ja, aber erst danach.«
    »Wonach?«
    »Nach dem Drama. Ling Mi hatte Leukämie. Blutkrebs, da war nichts zu machen. Innerhalb von drei Monaten hat sie der Tod ereilt. Der Ärmste … Da hatte er nun bekundet, nur die Zellen seien spannend und die Menschen Nebensache … Die Lektion war grausam. Und er hatte nichts dagegen tun können.
    Parallel zu diesem Desaster bekam er Streit mit seinen Kollegen in der ›Sweetmilk Corporation‹. Er hat die Arbeit aufgegeben und sich, schwer deprimiert, in seiner Wohnung eingeschlossen. Ling Mi hatte ihm den Glauben an die Menschheit wiedergeschenkt, und ihr Verlust ließ ihn endgültig in seine Misanthropie zurückfallen.«
    »Ist er nach Afrika gegangen, um Ling Mi zu vergessen?«
    »Vielleicht. Zumindest hat er gehofft, die Wunde werde vernarben, wenn er sich Hals über Kopf in seine Arbeit als Biologe stürzen würde. Er muß einen anderen, ebenso fesselnden Gegenstand gefunden haben. Ich weiß nicht genau, was das war, aber die Bakterien waren es nicht mehr.
    Wahrscheinlich hat er sich in Afrika niedergelassen, weil der Gegenstand dieser Arbeit dort leichter zu untersuchen war. Er hat mir eine Postkarte geschickt mit der Mitteilung, daß er dort unten mit einem Team des Nationalen Forschungszentrums sei und mit einem gewissen Professor Rosenfeld zusammen-arbeite. Ich kenne diesen Herrn nicht.« »Haben Sie Edmond anschließend wiedergesehen?«
    »Ja, einmal zufällig auf
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