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Die Ameisen

Die Ameisen

Titel: Die Ameisen
Autoren: Bernard Werber
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den Champs-Élysées. Wir haben ein wenig miteinander geplaudert. Er hatte offenkundig neuen Lebensmut geschöpft. Aber seine Antworten waren sehr vage, allen Fragen, die seinen Beruf betrafen, ist er geschickt ausgewichen.«
    »Es heißt, er habe eine Enzyklopädie geschrieben.«
    »Jaja, das wollte er schon immer. Das war sein großer Traum. All seine Kenntnisse in einem Werk vereinigen.«
    »Haben Sie sie schon gesehen?«
    »Nein. Und ich glaube auch nicht, daß er sie jemals irgendwem gezeigt hat. So wie ich Edmond kenne, hat er sie im entlegensten Winkel von Alaska mit einem feuerspeienden Drachen als Wächter versteckt. Er hatte so eine geheimnisvoll-skurrile Art.«
    Jonathan wollte sich schon verabschieden.
    »Ach, noch eine Frage: Wissen Sie, wie man vier gleichseitige Dreiecke mit sechs Streichhölzern legt?«
    »Natürlich. Das war sein liebster Intelligenztest.«
    »Und, wie ist die Lösung?«
    Jason lachte laut auf.
    »Nein, das verrate ich Ihnen bestimmt nicht! Wie sagte Edmond? ›Jeder muß allein seinen Weg finden.‹ Und Sie werden sehen, die Befriedigung, wenn Sie es entdeckt haben, wird zehnmal so groß sein.«
     
    Mit all diesem Fleisch auf dem Rücken kommt ihnen die Strecke länger vor als auf dem Hinweg. Die Truppe schreitet kräftig aus, um nicht von den Unwegbarkeiten der Nacht überrascht zu werden.
    Ameisen sind in der Lage, von März bis November vierundzwanzig Stunden am Tag ohne die geringste Pause zu arbeiten; jeder Temperatursturz schläfert sie jedoch ein. Aus diesem Grund kommt es selten zu Expeditionen, die länger als einen Tag dauern.
    Die Stadt der roten Ameisen hatte lange über dieses Problem nachgedacht. Man wußte, wie wichtig es war, die Jagdgebiete auszudehnen und ferne Länder kennenzulernen, in denen andere Pflanzen wuchsen und andere Tiere mit anderen Sitten lebten.
    Im achthundertfünfzigsten Jahrtausend hatte Bi-stin-ga, eine rote Königin aus der Ga-Dynastie (eine Dynastie im Osten, die seit hunderttausend Jahren verschwunden war), den wahnwitzigen Plan verfolgt, die »äußersten Enden« der Welt kennenzulernen. Sie hatte Hunderte von Expeditionen in alle vier Himmelsrichtungen losgeschickt. Keine war je zurückgekehrt.
    Die derzeitige Königin, Belo-kiu-kiuni, war nichts o ehrgeizig. Ihre Neugierde beschränkte sich auf die Entdeckung dieser kleinen goldfarbenen Käfer, die wie kostbare Steine aussahen (und die tief im Süden zu finden waren), oder auf die Betrachtung der fleischfressenden Pflanzen, die man ihr zuweilen lebendig, mit Wurzel, brachte und die sie eines Tages zu zähmen hoffte.
    Belo-kiu-kiuni wußte, der beste Weg, neue Territorien kennenzulernen, bestand darin, die Föderation weiterz u vergrößern. Noch mehr Expeditionen in ferne Gegenden, noch mehr Tochterstädte, noch mehr Vorposten, und all denen, die sich diesem Vorrücken entgegenstemmen, den Krieg erklären.
    Sicher, bis zur Eroberung des Randes der Welt war es noch ein langer Weg, aber diese Politik der kleinen, hartnäckigen Schritte stand im Einklang mit der allgemeinen Ameisenphilosophie: »Langsam, aber stetig voran.«.
    Die Föderation von Bel-o-kan umfaßte mittlerweile vierundsechzig Tochterstädte. Vierundsechzig Städte mit dem gleichen Duft. Vierundsechzig Städte, die mit einem Netz von insgesamt einhundertfünfundzwanzig Kilometern gegrabener Pfade und siebenhundertachtzig Kilometern Geruchspisten verbunden waren. Vierundsechzig Städte, die in Schlachten und Hungersnöten zusammenhielten.
    Das Konzept der Föderation ermöglichte es einigen Städten, sich zu spezialisieren. Und Belo-kiu-kiuni träumte sogar davon, daß eines Tages eine Stadt nur Getreide produzierte, eine andere den Rest mit Fleisch versorgte, eine dritte sich ausschließlich mit dem Krieg befaßte.
    Noch war man nicht soweit.
    Jedenfalls war das ein Konzept, das mit einem anderen Grundsatz der Ameisenphilosophie übereinstimmte: »Die Zukunft gehört den Spezialisten.«
    Die Kundschafterinnen sind noch weit von den Vorposten entfernt. Sie beeilen sich. Als sie an der fleischfressenden Pflanze vorbeikommen, schlägt eine der Kriegerinnen vor, sie samt Wurzel auszurupfen, um sie Belo-kiu-kiuni mitzubringen.
    Allgemeine Antennenberatung. Sie diskutieren, indem sie winzige Geruchsmoleküle senden und empfangen. Die Pheromone. In Wirklichkeit Hormone, die aus ihrem Körper austreten. Man könnte jedes dieser Moleküle visualisieren wie ein Goldfischglas, in dem jeder Fisch ein Wort wäre.
    Dank dieser Pheromone
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