Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche

Titel: Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
sagte sie leise.
    »So heiße ich nicht«, erwiderte er tonlos, »aber das weißt du ja.«
    Es gab keinen Plan. Keine ausgeklügelte List, mit der sie ihn hätte überrumpeln können.
    Es gab nur sie selbst und das Schwert. Eine Waffe, mit der sie nicht umgehen konnte, auch wenn Gillian vor Jahren ein paar erfolglose Versuche unternommen hatte, sie in der Kunst des Schwertkampfes zu unterweisen.
    Die Mündung der Pistole starrte ihr entgegen wie ein schwarzes Zyklopenauge. Cristóbal musste nur abdrücken. Sie hatte den Verdacht, dass er es eilig hatte.
    »Aura«, flüsterte Tess und schüttelte einmal kurz den Kopf, fassungslos, als sähe sie ein Gespenst. Natürlich, das Mädchen hatte angenommen, dass sie ertrunken war.
    Aura lächelte leicht und zwinkerte Tess zu, in einem schwachen Versuch, sie aufzumuntern. Dann konzentrierte sie sich wieder auf Cristóbal. Sie sah die Verletzungen auf seinem rechten Handrücken und fragte sich, wie präzise er damit zielen konnte. Auf eine Entfernung von nur wenigen Metern vermutlich präzise genug.
    »Geh mir aus dem Weg, Aura.«
    »Du überraschst mich.«
    Er hob eine Augenbraue. »So?«
    »Ich habe geglaubt, du schießt mich gleich über den Haufen.«
    Sein Lachen klang gekünstelt. »Wenn das die Wahrheit wäre, wärst du in deinem Versteck geblieben. Ich kenne dich. Du bist nicht lebensmüde. Vielleicht hast du dir das manchmal eingeredet, aber das war Selbstbetrug.«
    »Du hast mich die ganze Zeit für jemanden gehalten, der sich selbst etwas vormacht?«
    »Ich hab dich immer gern gemocht. Und ich will nicht, dass es so endet.«
    »Wo ist Gian?«
    »Auf der Insel, bei den anderen.«
    Sie sah Tess an. »Ist mit ihm alles in Ordnung?«
    Das Mädchen nickte. »Er ist verletzt, aber es ist nicht schlimm.«
    Aura atmete scharf ein, dann sah sie wieder in die Augen des Grafen: »Wie sollen wir diese Sache zu Ende bringen?«
    »Geh einfach aus dem Weg. Und wirf dieses Ding weg.« Er zeigte mit der Pistole auf das Krummschwert.
    Aura hob die Klinge hoch, musterte sie kurz, dann schleuderte sie das Schwert in hohem Boden beiseite. »Ich hätte mich gerne im Haus nach einer vernünftigen Waffe umgesehen, aber dazu war keine Zeit mehr.«
    »Pech.«
    »Ja, vielleicht.«
    Er legte den Kopf schräg, überlegte wohl, wie sie das meinte und zuckte dann die Achseln. »Geh jetzt dort hinüber.« Er zeigte zurück zur Hauswand. »Und bleib dort stehen, falls du nicht willst, dass der Kleinen etwas zustößt.«
    Aura bewegte sich nicht. »Du würdest sie wirklich erschießen?«
    Der Ernst in seiner Stimme ließ keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit. »Wenn du mir keine Wahl lässt.« Sie nickte nachdenklich und ging zur Mauer hinüber.
    Der felsige Streifen Land, der zwischen der Seitenwand des Anwesens und dem Ufer lag, war hier nur wenige Schritt breit. Cristóbal schob Tess vorwärts, am Wasser entlang und in Richtung der Anbauten, wo die Pferde in Ställen untergebracht waren. Aura fragte sich, ob er abgebrüht genug war, alle Tiere bis auf eines zu erschießen, damit niemand ihm und Tess folgen konnte. »Leb wohl, Aura.«
    »Hast du gewusst, dass Raffael verheiratet war?«
    Er blieb stehen, verzog irritiert das Gesicht und sah sie an.
    »Was für eine lächerliche Finte ist das?«
    »Hast du es gewusst?«
    Er gab keine Antwort. »Wann bist du ihm begegnet?«
    »Zweimal an dem Abend, an dem ich Paris verlassen habe. Das erste Mal in seinem Apartment. Ich hab dort seine kranke Frau kennen gelernt. Und einmal am Bahnhof.«
    »Dann ist er fort?« War da tatsächlich Erleichterung in seiner Stimme? Erleichterung darüber, dass Raffael sich vor dem Krieg in Sicherheit gebracht hatte? Das erschien ihr in Anbetracht der Umstände so abwegig, dass sie es beinahe schon wieder für möglich hielt. Es passte zu ihm.
    »Du hängst mehr an ihm, als ich dachte«, sagte sie. »Mehr, als er selbst gewusst hat.«
    »Wo ist er jetzt?«
    Sie hob die Schultern. »Vermutlich immer noch am Bahnhof.«
    Er sah sie verwundert an, aber bevor er die Geduld verlieren konnte, fuhr sie fort: »Als ich ihn zuletzt gesehen habe, lag sein Kopf in einem Schließfach. Und der seiner Frau daneben.«
    Cristóbals Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, war starr wie der einer Marmorfigur. Und ebenso bleich. Dann brach er plötzlich in Gelächter aus, so falsch, so laut, dass Tess erschrocken zusammenzuckte. »Was für ein alberner Bluff!« »Nein. Das ist kein Bluff.« »Du versuchst, Zeit zu schinden.« »Und was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher