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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition)
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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wenn du dir schon keinen Job suchst, dann wenigstens einen Liebhaber.» Sie lachte auf.
    Anne stimmte mit ein. «Ich bin eben ganz anders als du.»
    «Weil wir gerade davon reden.» Ebba sah in Richtung Bartresen, hinter dem Nando stand und seinen drei Kellnern Instruktionen gab. Sie zeigte zu ihm herüber. «Den schnapp ich mir auch. Heute Abend. Ist längst fällig. Du wirst sehen, Darling. Hast du Zigaretten dabei?»
    Anne schüttelte den Kopf.
    «Nando?», rief Ebba durch das Restaurant, so laut, dass ein paar Gäste aufschauten. Es klang selbstbewusst, es klang heiter. Und es klang wie: Bei Fuß!
    Nando sah herüber, lächelte, kam. Sie bestellte ein Päckchen Marlboro und eine zweite Flasche Wein, und als er mit den Zigaretten und dem Aragosta zurückkehrte, Feuer gab, Komplimente verteilte und kraftvoll den Korken aus der Flasche zog, begann Ebba mit ihm zu flirten. Anne lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und musste sich bemühen, nicht laut loszulachen. Sie war eine Schlange, ihre Freundin. Und das sagte sie ihr auch, als der Wirt gegangen war.
    «Ich werde heute Nacht mit ihm schlafen», erklärte Ebba fröhlich.
    «O Gott!» Anne schloss sekundenlang die Augen. «Sei doch nicht immer so gewöhnlich!»
    «Ooch ... unser Lehrerstöchterlein ...», Ebba leckte mit ihrer Zungenspitze die Lippenstiftreste vom Rand ihres Weißweinglases, «du wirst sehen, ich werde mir seinen schönen, sardischen Schwanz ...»
    «Gott bewahre mich davor, dass ich das sehe!»
    Anne und Ebba lachten. Um ein Uhr nachts waren sie die letzten Gäste. Um Viertel nach eins hatten die Kellner Feierabend. Ciao! Arrivederci! Buona notte! Nando saß an einem Ecktisch und machte Kasse. Um kurz nach halb zwei bestellte sich Anne ein Taxi, obwohl sie nicht müde war. Als sie um zehn vor zwei über die Alsterterrasse des Lokals ging und unter dem Licht der Lampions hindurchhuschte und sich noch einmal umdrehte, sah sie drinnen im Restaurant ihre Freundin mit dem Wirt tanzen. Eng umschlungen.
    An diesen Abend in der vergangenen Woche musste sie denken, als sie jetzt in der Küche stand und mit Tellern warf. Sie war wütend. Wütend auf ihren Mann. Wütend auf ihre Söhne. Und was am schlimmsten war: wütend auf sich. Je länger sie an das Gespräch mit Ebba dachte, desto wütender wurde sie. Ebba, Ebba, Ebba ... ich bin ich, dachte sie, ich bin anders als sie und ich bin eben auch keine starke Frau. Ich war nie eine. Und ich werde auch nie eine sein. Wie Blitze schossen ihr diese Sätze durch den Kopf, und als brauche sie zur Bestärkung noch den Donner, nahm sie den nächsten Frühstücksteller vom Küchentisch und schmiss ihn auf den Steinfußboden. Wusch. Noch einen. Klirr. Den letzten. Päng. Klapper.
    Keiner ihrer Söhne rührte sich in der Wohnung. Typisch. Und wenn die Welt brennt: Mama wird das Feuer schon löschen. Aus Pavels Zimmer dröhnte House-Musik. Edward schien noch zu schlafen, trotz des Lärms. Luis sang glockenhell im Flur ein Lied von Liebe und anderen Sorgen. Anne hörte, wie sich Wolf, seit nun fast zwanzig Jahren der Mann an ihrer Seite, nebenan im Badezimmer rasierte und dabei die Nachrichten hörte. Auch typisch, dachte sie, und guckte auf ihre Armbanduhr, Sonntagmittag und Monsieur pflegt sich. Nicht mich. Nicht das Familienleben. Kümmert sich nur um sich und seine Arbeit. Um nichts sonst, obwohl das seine Aufgabe gewesen wäre. Zumindest in den vergangenen vier Tagen, in denen sie bei ihren Eltern in Bremen gewesen war. Aber nein. Nichts, nichts, nichts. Sie ging zur Schublade neben der Spüle und trat mit Schwung einen halben Teller beiseite. Aber ich hab ja auch selbst Schuld, dachte sie: drei Söhne hochpäppeln – bei Licht besehen war Wolf der vierte – und denen immer nur die liebende Mutter geben, das war eben unmodern. Sie nahm ein Päckchen Zigaretten und eine Streichholzschachtel aus der Schublade.
    Das passte halt nicht in die Zeit. Anne schob sich den Filter zwischen die Lippen und zündete sich die Zigarette an. Da wurde man halt ausgenutzt. Schlecht behandelt. Falsch verstanden. Leider. Sie inhalierte tief und drehte die Streichholzschachtel hin und her, während sie den Werbeaufdruck betrachtete. Da Nando. Wieso kam sie nicht auf so eine Idee wie Ebba? Einfach drauflos flirten und sich mal einen Mann schnappen. Ein Verhältnis haben. Mal wieder mit einem Mann schlafen. Begehrt sein. Marktwert testen , wie Ebba es nannte. Anne schmunzelte, als sie sich an dieses Bild der Tanzenden erinnerte. Sie
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