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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition)
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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petzte er voller Schadenfreude und flitzte aus der Küche.
    Wolf strich über seinen Bleistift, als wolle er ihn glatt streichen und erhob sich: «Er kommt nicht mit. Ist erst um drei ins Bett.» Er nahm seine Arbeitsutensilien, kam auf sie zu. «Frieden?»
    Sie nickte. Er verließ die Küche und sie hörte ihn laut rufen: «Abflug! Pavelotzki!»
    Anne nahm ihre große Basttasche aus Südfrankreich, die immer über dem antiken Eichenstuhl ihrer Eltern hing, holte aus dem Kühlschrank eine Flasche Champagner, die sie als Mitbringsel für ihre Freunde vorgesehen hatte, und eine Glasschüssel voller Schokoladenmousse, ihrer Spezialität, packte beides ein und legte vorsichtig einen Meißener Teller dazu, den sie am vergangenen Wochenende von Sybille für den Transport von Kuchenresten geliehen hatte. Dann ging sie in den Flur. Pavel kam aus seinem Zimmer, nur in Unterhose mit wirren Haaren. «Jetzt schon los?», jammerte er. «Ich hab noch nicht mal gefrühstückt.»
    Ungerührt gab ihm Anne einen Klaps auf seinen Hintern, nahm von der Garderobe ein Taschenbuch, das sie Sybille leihen wollte und stopfte es in die Basttasche. «Das kennen wir ja von dir, nicht? Du willst dich ja partout nicht an normale Zeiten halten.»
    «Normal, normal», grummelte Pavel, «ich bin wahrscheinlich schneller unten als ihr.» Er verschwand wieder in seinem Zimmer.
    Anne ging aufs Klo. Sie hatte diesen Tick seit ihrer Pubertät: Selbst wenn sie nicht musste, ging sie vorsichtshalber noch einmal auf die Toilette, bevor sie das Haus verließ. Vergaß sie es, stellte sich schon nach wenigen Minuten ein quälender Drang ein, pinkeln zu müssen. Wie ein Albtraum war das für sie. Ständig hatte sie dieses Problem. Wenn sie länger unterwegs war, gab es garantiert keine Toilette in der Nähe. Wenn es eine gab, war sie besetzt oder so unsauber, dass Anne die Flucht ergriff. Toiletten-Ausbaldowern war ein Spezialthema von ihr. Besonders auf Reisen oder bei gesellschaftlichen Anlässen. Anne brauchte eine Toilette, wo sie sich völlig ungestört fühlte, der Begriff stilles Örtchen war, so fand sie, ein wirklich passendes Synonym. «Alle Frauen haben eine schwache Blase», behauptete Wolf, der sich gerne über diese Manie bei ihr lustig machte, «eine schwache Blase und Verstopfung.» Was sie anging, stimmte das offenbar. Seit Jahren schon nahm sie Abführmittel, die sie von ihrem Freund Paul Alberti als kostenloses Warenmuster zur Verfügung gestellt bekam. Morgens aß sie deshalb ein Joghurt und trank den Kaffee schwarz, mischte sich zu den Mahlzeiten jede Art von Ballaststoffen unter ihr Essen. Anne beneidete ihre Männer darum, wie wenig Probleme sie hatten, mit der Verdauung, und wie beherzt sie mit diesem Thema umgingen. Klar, Männer waren eben auch da privilegiert, schließlich konnten sie selbst im Stehen pinkeln.
    Als Anne aus dem Bad zurückkam, war Wolf im Begriff, aus dem Arbeitszimmer den Autoschlüssel zu holen; Luis hüpfte auf einem Bein den Flur entlang, und Pavel war fertig angezogen. Er trug ein Kapuzen-T-Shirt, das er in weite Khakishorts gestopft hatte, und schwarze Schnürstiefel ohne Strümpfe. In der Hand hielt er einen Ledergürtel. Seine Mutter registrierte sein Outfit aus dem Augenwinkel, ging zur Wohnungstür und öffnete sie.
    «Ich möchte los.»
    Alle redeten durcheinander.
    Pavel latschte in den Hausflur, zog den Gürtel durch die Schnallen seiner Hose und ging langsam die Stufen hinunter.
    Annes Handy klingelte. Sie fand es nicht sofort. Es lag in ihrer Basttasche, versteckt unter den anderen Sachen.
    «Alberti ?»
    «Annette?» Es war ihre Mutter. «Wieso hören wir nichts von dir?»
    Die Kinder krakeelten herum. Anne hielt ihr linkes Ohr mit dem Zeigefinger zu.
    «Wieso solltet ihr was hören?», entgegnete Anne gereizt. «Es ist alles in Ordnung.»
    «Na ja, du bist hier weg, und dann kannst du doch mal anrufen und dich melden und sagen, ob du gut angekommen bist. Man macht sich ja Sorgen.»
    «Mamilein, sei nicht bös, aber es war so viel los, und jetzt habe ich auch keine Zeit, weil wir ...»
    «Na, das kennt man ja. Bei euch ist ja immer viel los.» Ihre Stimme klang leicht beleidigt. «Ich weiß überhaupt nicht, warum du dir immer so viel zumutest, anstatt dir mal Ruhe zu gönnen, und ...»
    Anne unterbrach ihre Mutter: «Du, wir sind gerade auf dem Sprung. Ich rufe euch heute Abend an, oder so.»
    «Oder so. Bitte sehr.» Am anderen Ende wurde aufgelegt. Anne wunderte sich. Eigentlich war ihr Vater für
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