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Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Titel: Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)
Autoren: Frederick Forsyth
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Konrad Adenauer trat am 15.   Oktober zurück und ging in den Ruhestand. Sein Nachfolger wurde Ludwig Erhard, als »Vater des Wirtschaftswunders« eine erstklassige Wahllokomotive, in Fragen der Außenpolitik jedoch schwach und wankelmütig. Selbst zu Adenauers Zeiten hatte es eine lautstarke Gruppe innerhalb des Kabinetts gegeben, die für einen Aufschub des Waffenabkommens mit Israel war und es lieber gesehen hätte, wenn die Lieferungen gestoppt worden wären, noch bevor sie begonnen hatten. Der alte Kanzler hatte sie mit ein paar scharfen Sätzen zum Schweigen gebracht, und seine Macht erwies sich als so groß, daß sie stumm blieben.
    Nach Erhards Amtsübernahme gewannen die Gegner des Waffenabkommens, die vor allem von dem an guten Beziehungen zur arabischen Welt interessierten Auswärtigen Amt unterstützt wurden, neuerlich an Einfluß. Erhard, der sich bereits den Spitznamen »Gummilöwe« zugezogen hatte, zögerte. Aber der amerikanische Präsident war nach wie vor entschlossen, Israel über Westdeutschland Waffen zukommen zu lassen.
    Und dann wurde Kennedy ermordet. In den Morgenstunden des 23.   November lautete die große Frage für die Gegner des Waffenabkommens daher ganz einfach: Würde auch Kennedys Amtsnachfolger den amerikanischen Druck auf Bonn weiterhin ausüben, oder würde er dem zaudernden Kanzler Erhard gestatten, von dem Abkommen zurückzutreten? Wie sich zeigen sollte, wich Präsident Lyndon Johnson in dieser Hinsicht um keinen Deut von der Politik seines Vorgängers ab; aber zu jenem Zeitpunkt setzte man in Kairo noch große Hoffnungen darauf, daß er es tat.
    Der Gastgeber jener geselligen Zusammenkunft im Rauchsalon der Villa vor den Toren Kairos goß sich einen weiteren Whisky ein, nachdem er die Gläser seiner Gäste nachgefüllt hatte. Er hieß Wolfgang Lutz, war 1921 in Mannheim geboren, hatte in der deutschen Wehrmacht zuletzt den Rang eines Majors bekleidet und war 1961 nach Kairo emigriert, wo er eine Reitschule eröffnete. Blond, blauäugig, mit kühner Adlernase, war er fanatischer Judenhasser und wurde von den politisch einflußreichen Gesellschaftskreisen Kairos und der vielfach aus Nazis bestehenden deutschen Kolonie hofiert.
    Er stellte die Whiskyflasche wieder zu den anderen Flaschen auf dem Getränketisch und wandte sich mit einem breiten Lächeln seinen Gästen zu. Der Gedanke, daß dieses Lächeln falsch sein könnte, wäre seinen Gästen absurd erschienen. Und doch war es ein falsches Lächeln.
    Lutz war zwar in Mannheim geboren, jedoch 1933 im Alter von zwölf Jahren mit seinen Eltern nach Israel emigriert. Er hieß Ze’ev, war Rav-Seren (Major) der israelischen Armee und zu jenem Zeitpunkt der führende Agent des israelischen Geheimdienstes in Ägypten. Am 28.   Januar 1965 wurde er verhaftet. Bei einer Hausdurchsuchung hatte man im Badezimmer einen versteckten Geheimsender gefunden. Am 26.   Juni des gleichen Jahres wurde er zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt. Nach Beendigung des Sechstagekrieges von 1967 ließ man ihn im Rahmen eines Austauschverfahrens, bei dem Tausende von ägyptischen Kriegsgefangenen repatriiert wurden, frei. Am 4.   Februar 1968 betrat er dann gemeinsam mit seiner Frau auf dem israelischen Flugplatz Lod erstmals wieder heimatlichen Boden.
    Aber alles das – die Verhaftung, die Folterungen, die wiederholten Vergewaltigungen seiner Frau – lag in der Nacht nach Kennedys Tod noch in ferner Zukunft. Lutz hob sein Glas und prostete den vier lächelnden Gesichtern vor ihm zu. Er konnte es kaum erwarten, daß seine Gäste sich endlich verabschiedeten, denn eine Bemerkung, die einer von ihnen während des Essens gemacht hatte, war von allergrößter Bedeutung für sein Land, und er wünschte verzweifelt, allein zu sein, ins Badezimmer hinaufzugehen, den Geheimsender aus einem Versteck zu holen und eine Meldung nach Tel Aviv zu übermitteln. Aber er zwang sich zu einem Lächeln.
    »Tod allen Judenfreunden«, sagte er und leerte sein Glas.
    Peter Miller wachte kurz vor 9   Uhr auf und räkelte sich genießerisch unter der gewaltigen Daunendecke, die über das Doppelbett gebreitet war. Sigi schlief. Er spürte die Wärme ihres Körpers und drängte sich eng an sie. Der feste Druck ihres Gesäßes gegen seinen Bauch erregte ihn.
    Sigi, die erst gegen 5   Uhr morgens heimgekommen war, maunzte schlaftrunken und rückte unwillig von ihm ab.
    »Lag mich in Ruhe«, murmelte sie, ohne aufzuwachen.
    Miller seufzte, drehte sich auf den Rücken,
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