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Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Titel: Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)
Autoren: Frederick Forsyth
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keinen sonderlichen Sinn für Heim und Herd, aber ihm entging nicht, daß sie ihm auf sehr angenehme Weise den Haushalt führte, und im Bett war sie mit Vergnügen bei der Sache. Sie sprach nie direkt vom Heiraten, versuchte aber, ihm ihren Herzenswunsch auf andere Weise zu signalisieren. Wenn sie an sonnigen Tagen durch die Grünanlagen an der Alster schlenderten, schloß sie, unter wohlwollenden elterlichen Blicken, zuweilen auch einmal Freundschaft mit einem der dort spielenden kleinen Jungen.
    »O Peter, ist der nicht süß?«
    Miller murmelte dann: »Ja, ja, wirklich, das ist er.«
    Danach redete sie zur Strafe etwa eine Stunde lang nicht mit ihm, weil er den Wink nicht zur Kenntnis genommen hatte. Aber sie waren sehr glücklich miteinander, besonders Peter Miller, dem das Arrangement ausnehmend gut gefiel. Es bot ihm die Vorzüge der Ehe und insbesondere die Freuden regelmäßiger Liebe ohne die lästigen Bindungen der Ehe.
    Er trank seine Tasse Kaffee halb aus und kroch ganz unter die Decke. Sigi schlief immer noch. Der Rücken war ihm zugekehrt.
    Er legte die Arme um sie und liebkoste sanft ihre Scham. Davon würde sie langsam aufwachen. Nach einer Weile begann sie leise vor Behagen zu stöhnen und drehte sich auf den Rücken. Er beugte sich über sie und küßte ihre Brüste. Sie seufzte, noch immer schlaftrunken. Langsam tasteten ihre Hände über seinen Rücken, und zehn Minuten später liebten sie sich, stöhnend vor Lust und erschauernd.
    »Das ist ja eine niederträchtige Art, mich aufzuwecken«, beschwerte sich Sigi hinterher.
    »Es gibt schlimmere Arten«, meinte Miller.
    »Wie spät ist es?«
    »Fast zwölf«, log Miller, der wußte, daß sie den nächstbesten Gegenstand nach ihm werfen würde, wenn sie erfuhr, daß es erst halb elf war und er sie nur fünf Stunden hatte schlafen lassen. »Schlaf ruhig weiter, wenn du willst.«
    »Mmmm. Danke, Lieber. Du bist so gut zu mir«, murmelte Sigi und war im nächsten Augenblick schon wieder eingeschlafen.
    Miller hatte den restlichen Kaffee ausgetrunken und wollte gerade ins Badezimmer gehen, als das Telefon klingelte. Er eilte ins Wohnzimmer und nahm den Hörer ab.
    »Miller.«
    »Peter?«
    »Ja, wer ist da?«
    »Karl.«
    Er war noch ein wenig benommen und erkannte die Stimme nicht gleich.
    »Karl?«
    »Karl Brandt«, wiederholte die Stimme. »Was ist los mit dir, schläfst du etwa noch?«
    Miller riß sich zusammen.
    »Ah ja. Entschuldige, Karl, aber ich bin eben erst aufgestanden. Was gibt’s?«
    »Hör mal, es ist wegen des toten Juden. Ich muß mit dir sprechen.«
    Miller war perplex.
    »Welcher tote Jude?«
    »Der in Altona, der sich gestern abend mit Gas vergiftet hat. Kannst du dich noch so weit zurückerinnern?«
    »Ja, selbstverständlich erinnere ich mich an gestern abend«, sagte Miller. »Ich wußte nur nicht, daß es ein Jude war. Hast du irgend etwas über ihn herausgekriegt?«
    »Ich muß mit dir sprechen«, sagte der Kriminalinspektor. »Aber nicht am Telefon. Können wir uns irgendwo treffen?«
    Millers Reportergehirn schaltete jetzt blitzschnell. Wer etwas mitzuteilen hat, dies aber nicht am Telefon tun will, hält seine Information meist für sehr wichtig. Und wenn schon ein Kriminalinspektor sich so übervorsichtig verhielt, konnte es sich kaum um eine Bagatelle handeln.
    »Selbstverständlich«, erklärte Miller. »Bist du über Mittag frei?«
    »Das ließe sich einrichten«, sagte Brandt.
    »Gut«, sagte Miller. »Ich gebe auch einen aus, wenn du meinst, daß da was Lohnendes drin ist für mich.« Er nannte ein kleines Restaurant am Gänsemarkt, und sie verabredeten sich für ein Uhr. Miller konnte sich nicht vorstellen, daß der Selbstmord eines alten Mannes in einer schäbigen Mietswohnung in Altona – ob es nun ein Jude war oder nicht – eine brauchbare Story abgeben sollte.
    Während des Mittagessens schien der junge Kriminalinspektor nicht davon sprechen zu wollen, erst beim Kaffee sagte er unvermittelt: »Der Mann gestern abend.«
    »Ja«, sagte Miller. »Was ist mit ihm?«
    »Du weißt, was die Nazis während des Krieges und auch schon vor dem Krieg mit den Juden gemacht haben.
    »Allerdings«, sagte Miller. »Das haben sie uns auf der Schule ja ausführlich erzählt.«
    Er war verwirrt und peinlich berührt. Wie die meisten jungen Deutschen seiner Generation hatte er mit vierzehn oder fünfzehn Jahren in der Schule gelernt, daß er zusammen mit allen seinen Landsleuten auf ewig von den entsetzlichen Kriegsverbrechen
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