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Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Titel: Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)
Autoren: Frederick Forsyth
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weiteren Tag, bis er sich an den Namen des Lokals erinnerte. Er war nur einmal auf einen Drink dort gewesen, um einen Gewährsmann aus der Unterwelt zu treffen, von dem er Informationen über die St.-Pauli-Bände zu erhalten hoffte. Der Schuppen hieß »Star-Club«. Er fuhr hin, ließ sich die Programme aus dem Jahr 1961 zeigen und fand die Gruppe, die er suchte. Damals waren es fünf Musiker gewesen, die drei, die er kannte, und noch zwei andere, Pete Best und Stuart Sutcliffe.
    Von dort fuhr er zu der Photographin, die im Auftrag des Impresarios Bert Kämpferts die Werbephotos gemacht hatte. Von ihr erwarb er die Exklusivrechte an sämtlichen Bildern, die sie noch besaß. Seine Reportage »Wie Hamburg die Beatles entdeckte« erschien in fast allen westdeutschen Schlagermagazinen und Illustrierten und in vielen ausländischen Blättern. Mit dem Honorar kaufte er den Jaguar, den er bei einem Gebrauchtwagenhändler gesehen hatte. Der hatte ihn von einem britischen Armeeoffizier übernommen, dessen hochschwangere Ehefrau nicht mehr in den Wagen paßte. Miller hatte aus Dankbarkeit sogar ein paar Beatles-Platten gekauft, aber der einzige Mensch, der sie manchmal spielte, war Sigi.
    Er riß sich vom Anblick des Wagens los, schlenderte über die Rampe zur Straße und fuhr in seine Wohnung hinauf. Es war fast Mitternacht, und obwohl ihm seine Mutter um sieben Uhr, wie immer am Freitag, ein reichhaltiges Abendessen vorgesetzt hatte, spürte er schon wieder Hunger. Er machte sich ein paar Rühreier und hörte die Spätnachrichten. Sie bezogen sich nahezu ausschließlich auf Kennedy, und da aus Dallas selbst nur sehr spärliche Meldungen kamen, war hauptsächlich von der offiziellen Reaktion in der Bundesrepublik die Rede. Die Polizei suchte noch immer nach dem Täter. Kommentatoren und Nachrichtensprecher verbreiteten sich wortreich über Kennedys Liebe zu Deutschland, seinen Besuch in der ehemaligen Reichshauptstadt im Sommer zuvor, als er auf deutsch gesagt hatte: »Ich bin ein Berliner!«
    Es folgte ein auf Band gesprochener Nachruf des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Willy Brandt, dessen Stimme die innere Bewegung anzumerken war. Weitere Würdigungen schlossen sich an, so von Bundeskanzler Erhard und Altkanzler Konrad Adenauer, der am 15.   Oktober zurückgetreten war.
    Peter Miller stellte das Radio ab und ging zu Bett. Er wünschte, Sigi wäre zu Hause, weil er immer, wenn er deprimiert war und nicht einschlafen konnte, das Bedürfnis hatte, sich wie ein Kind ganz eng an sie zu kuscheln – worauf er sie jedesmal heftig begehrte. Sie liebten sich dann, und er konnte endlich einschlafen – sehr zu Sigis Enttäuschung, denn hinterher wollte sie immer vom Heiraten und Kinderkriegen reden. Der Nachtklub, in dem sie tanzte, machte erst um vier Uhr morgens zu, und samstags und sonntags häufig sogar noch später, weil die Reeperbahn an Wochenenden von Provinzlern und Touristen wimmelte, die bereit waren, einem Mädchen mit großem Busen und hübschem Hintern Champagner zu bestellen, der das Zehnfache des Ladenpreises kostete. Und Sigi hatte den größten Busen und hübschesten Hintern von allen.
    Miller rauchte also noch eine weitere Zigarette, schlief um Viertel nach eins ein und träumte von dem grauenhaften Gesicht des alten Mannes, der sich in den Elendsvierteln von Altona das Leben genommen hatte.
    Während sich Peter Miller um Mitternacht in Hamburg Rühreier bereitete, saßen in dem komfortablen Rauchsalon eines Hauses bei Kairo fünf Männer beim Drink zusammen. Das Haus gehörte zum Wohnkomplex einer Reitschule in der Nähe der Pyramiden. Die Männer hatten ausgezeichnet zu Abend gespeist und waren in bester Stimmung, seit sie vier Stunden zuvor – in Kairo war es jetzt ein Uhr morgens – die Nachricht aus Dallas gehört hatten.
    Drei Männer waren Deutsche, die anderen beiden Ägypter. Die Frau des Gastgebers war zu Bett gegangen und hatte ihren Mann seinem bis in die frühen Morgenstunden währenden Gespräch mit den vier Besuchern überlassen. Er war der Inhaber der Reitschule, die ein beliebter Treffpunkt der Kairoer Gesellschaft und der deutschen Kolonie war.
    In dem bequemen Ledersessel beim Fenster, dessen Jalousien geschlossen waren, saß Peter Bodden – El Gumrah. Er war unmittelbar nach dem Krieg nach Ägypten übergesiedelt, hatte den ägyptischen Namen El Gumrah angenommen und war jetzt im Kairoer Informationsministerium als Sachverständiger für außenpolitische Fragen tätig. Er hielt ein
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