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Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Titel: Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)
Autoren: Frederick Forsyth
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Journalist durch.«
    »Scheinst aber ganz gut zurechtzukommen dabei. Ich sehe deinen Namen alle naselang in den illustrierten.«
    »Na ja, der Schornstein muß schließlich rauchen. Hast du schon gehört – das mit Kennedy?«
    »Ja. Scheußliche Sache. Die werden ganz Dallas durchkämmen müssen. Bin bloß froh, daß es nicht bei uns passiert ist.«
    Miller deutete mit einem Kopfnicken auf den trüb beleuchteten Treppenflur des Mietshauses. Eine schwache nackte Glühbirne warf einen gelblichen Schein auf den bröckelnden Wandverputz.
    »Selbstmord«, sagte der Inspektor. »Gas. Die Nachbarn haben den Geruch bemerkt, als es durch die Türritze drang, und die Polizei verständigt. Nur gut, daß niemand ein Streichholz angezündet hat, das ganze Haus stank nach Gas.«
    »Nicht zufällig ein Filmstar oder sonstwas Berühmtes?«
    »Na, hör mal, wenn die so etwas machen, suchen sie sich eine andere Adresse aus. Nein, es war ein alter Mann. Sah ohnehin aus, als sei er schon seit Jahren tot. Passiert jeden Tag, daß jemand Schluß macht.«
    »Na, wo immer der sich jetzt auch wiederfindet, schlimmer als hier kann’s kaum sein.«
    Der Inspektor lächelte flüchtig und drehte sich um, als die Krankenträger mit ihrer Last die letzten Stufen der knarrenden engen Treppen zum Hausflur hinabkamen. Brandt wandte sich dem Polizeibeamten zu.
    »Lassen Sie mal ein bißchen Platz machen, damit die Männer da durchkönnen.«
    Der Polizeimeister drängte die Menge noch weiter zurück. Die beiden Krankenträger traten auf den Gehsteig hinaus und gingen um den Unfallwagen herum zu der offenen Hintertür. Brandt folgte ihnen mit Miller, der sich ihm an die Fersen geheftet hatte. Nicht, daß Miller unbedingt den Toten sehen wollte; er ging nur ganz einfach dorthin mit, wohin Brandt ging. Der eine der beiden Krankenträger setzte das Kopfende der Trage auf die Gleitschiene im Wagen. Der zweite wollte die Bahre gerade hineinschieben, als Brandt sagte: »Augenblick mal.« Er schlug einen Zipfel der Decke zurück, die über den Toten gebreitet war. Über die Schulter bemerkte er zu Miller: »Nur eine Formsache. Ich muß in meinem Bericht erwähnen, daß der Tote unter meiner Aufsicht zum Abtransport in die Leichenhalle in den Wagen geschafft wurde.«
    Die Innenbeleuchtung des Unfallwagens war sehr hell. Für zwei Sekunden konnte Miller das Gesicht des Selbstmörders sehen. Sein erster und einziger Eindruck war, noch nie einen so alten und so häßlichen Menschen gesehen zu haben. Selbst wenn man von den Auswirkungen der Gasvergiftung – der fleckigen Verfärbung der Haut und der bläulichen Tönung der Lippen – absah, konnte der Mann zu Lebzeiten wahrlich keine Schönheit gewesen sein. Ein paar schüttere Haarsträhnen klebten quer über dem ansonsten kahlen Schädel. Die Augen waren geschlossen. Das Gesicht war erschreckend ausgezehrt, und da dem Toten das falsche Gebiß fehlte, waren die Wangen so tief eingefallen, daß sie sich innen fast berühren mußten, was ihm das Aussehen eines Ghuls aus einem Horrorfilm verlieh. Lippen waren kaum zu erkennen, und die Partie über und unter dem Mund war von vertikalen Falten durchzogen. Miller dachte an die zusammengenähten Lippen eines Schrumpfkopfes, den er einmal bei Eingeborenen im Amazonasbecken gesehen hatte. Die beiden gezackten blassen Narben, die von den Schläfen bis zu den Mundwinkeln liefen, verstärkten diesen Eindruck noch.
    Nachdem er einen raschen Blick auf das Gesicht des Toten geworfen hatte, legte Brandt die Decke wieder zurück und nickte dem Krankenträger hinter ihm zu. Der Mann trat zurück, als sein Kollege die Bahre in den Wagen schob, verschloß die Tür, ging um den Wagen herum und setzte sich auf den Beifahrersitz. Der Unfallwagen schoß davon, und die Menge zerstreute sich.
    Miller sah Brandt an und hob die Brauen.
    »Trostlos.«
    »Ja. Armes Luder, der Alte. Wohl nichts drin für dich, oder?«
    Miller sah gequält drein.
    »Nichts zu machen. Wie du sagst, es passiert jeden Tag, daß einer Schluß macht. Überall in der ganzen Welt begehen in diesem Augenblick Menschen Selbstmord, und niemand nimmt auch nur die geringste Notiz davon. Schon gar nicht jetzt, wo sie gerade Kennedy umgebracht haben.«
    Inspektor Brandt lachte bitter.
    »Ihr verdammten Journalisten.«
    »Seien wir doch ehrlich. Was die Leute lesen wollen, das sind Berichte über Kennedys Ermordung. Und auf die Leute kommt es schließlich an, denn sie kaufen die Zeitungen.«
    »Damit wirst du wohl recht
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