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Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Titel: Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)
Autoren: Frederick Forsyth
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Glas Whisky in der Hand, während sein Nachbar zur Linken, Georg Reiche, ein Nahost-Experte der ehemaligen deutschen Reichsregierung und heute ebenfalls im ägyptischen Informationsministerium tätig, nur Orangensaft trank. Reiche war inzwischen zum moslemischen Glauben übergetreten, hatte eine Pilgerreise nach Mekka gemacht und nannte sich seither El Hadj. Seinem neuen Glauben getreu, verschmähte er jeglichen Alkohol. Beide Männer waren fanatische Nationalsozialisten.
    Der eine der beiden Ägypter war Oberst Chams Edine Badrane, der persönliche Adjutant Marschall Abdel Hakim Amers, der zum ägyptischen Verteidigungsminister avancierte, bevor er nach dem Sechstagekrieg von 1967 wegen Landesverrats zum Tode verurteilt wurde. Oberst Badrane sollte gleich seinem Herrn und Meister ebenfalls in Ungnade fallen. Der andere Ägypter war Oberst Ali Samir, der Chef des Mukhabarat, des ägyptischen Geheimdienstes.
    An dem Essen hatte noch ein weiterer Mann teilgenommen, der Ehrengast, der um 21   Uhr   30, als die Nachricht von Präsident Kennedys Tod gemeldet wurde, nach Kairo zurückgeeilt war: Anwar Sadat, der Vorsitzende der ägyptischen Nationalversammlung, ein enger Mitarbeiter Präsident Nassers, der später sein Nachfolger wurde.
    Peter Bodden hob sein Glas.
    »Die Politik der Vereinigten Staaten wird sich ändern müssen. Meine Herren, trinken wir auf die gemeinsame Sache.«
    »Aber unsere Gläser sind leer«, bemerkte Oberst Samir.
    Der Gastgeber beeilte sich, diesem Übelstand abzuhelfen, und schenkte Scotch nach.
    Die Anspielung auf die Politik der Vereinigten Staaten hatte keinen der vier Männer überrascht oder gar befremdet. Am 14.   März 1960, als Eisenhower noch Präsident der Vereinigten Staaten war, hatten sich der israelische Premierminister David Ben-Gurion und Bundeskanzler Konrad Adenauer im New Yorker Hotel Waldorf-Astoria zu einer Geheimbesprechung unter vier Augen getroffen, die zehn Jahre zuvor noch für undenkbar gehalten worden wäre. Was bei jener Zusammenkunft vereinbart worden war, galt auch noch 1960 als undenkbar, und das war auch der Grund, warum es Jahre dauern sollte, bis Einzelheiten davon an die Öffentlichkeit drangen, und warum Präsident Nasser sich weigerte, die Informationen ernst zu nehmen, die ihm die ODESSA, die Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen, und Oberst Samirs Mukhabarat auf den Tisch legten.
    Die beiden Staatsmänner hatten ein Abkommen getroffen, demzufolge Westdeutschland dem Staat Israel einen jährlichen Kredit in Höhe von 50   Millionen Dollar gewährte, ohne irgendwelche Bedingungen daran zu knüpfen. Ben-Gurion stellte jedoch sehr bald fest, daß es zwar gut und schön war, Geld zu haben, aber wenig half, wenn es einem an sicheren und verläßlichen Waffenlieferanten mangelte.
    Ein halbes Jahr darauf wurde das Waldorf-Astoria-Abkommen durch eine weitere Vereinbarung ergänzt, die von Franz Josef Strauß und Shimon Peres unterzeichnet war, den Verteidigungsministern der Bundesrepublik Deutschland und des Staates Israel. Israel konnte jetzt den deutschen Kredit zum Ankaufen von Waffen in der Bundesrepublik verwenden.
    Adenauer, der sich der weitaus heikleren Natur dieses zweiten Abkommens durchaus bewußt war, zögerte die Ratifizierung monatelang hinaus, bis er im November 1961 in New York mit dem neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten, John Fitzgerald Kennedy, zusammentraf. Kennedy setzte ihn unter Druck. Er wünschte zwar nicht, daß Waffen aus den USA direkt an Israel geliefert wurden, war aber doch sehr stark daran interessiert, daß Israel auf anderen Wegen mit amerikanischen Waffen versorgt wurde. Israel benötigte Jagdflugzeuge, Transportflugzeuge, 10,5-cm-Geschütze, gepanzerte Mannschaftstransportwagen und vor allem Kampf- und Schützenpanzerwagen. Die Bundesrepublik verfügte über alle diese Waffen, vornehmlich amerikanische Fabrikate, die sie entweder zum Ausgleich für die Stationierungskosten der US-Truppen den Amerikanern abkaufte oder aber in Lizenz selbst herstellte. Unter dem Druck Kennedys trat das Strauß-Peres-Abkommen in Kraft. Die ersten deutschen Panzer trafen Ende Juni 1963 in Haifa ein. Es erwies sich allerdings als schwierig, das Übereinkommen auf die Dauer geheimzuhalten; allzu viele Menschen waren daran beteiligt. Die ODESSA erfuhr bereits gegen Ende des Jahres 1962 davon und informierte umgehend die Ägypter, mit denen ihre Agenten in Kairo aufs engste zusammenarbeiteten.
    Im Herbst 1963 änderte sich die Situation.
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