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Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Titel: Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)
Autoren: Frederick Forsyth
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Tausendmal hatte er auf Patrouillengängen in der Wüste den Sonnenaufgang erlebt, bevor die mörderische Hitze des Tages einsetzte, die Kämpfe aufflackerten und der Tod Ernte hielt. Es war die beste Zeit des Tages.
    Die Straße führte über das flache, fruchtbare Land der küstennahen Ebene und durch das zu geschäftigem Leben erwachende Dorf Ramleh auf die ockerfarbenen Hügel Judäas zu. Hinter Ramleh begann in jenen Tagen die fünf Meilen lange Umleitung, die um den Grenzvorsprung von Latrun herumführte und die vorgeschobenen Stellungen der jordanischen Streitkräfte umging. Zur Linken konnte er die morgendlichen Lagerfeuer der Arabischen Legion mit ihren zartblauen Rauchsäulen sehen.
    In dem Dorf Abu Gosh ließen sich um diese Stunde nur wenige Araber blicken, und als er die letzten Hügel vor Jerusalem erreichte, stand die Sonne über dem östlichen Horizont und spiegelte sich auf dem Kuppeldach des Felsendoms im arabischen Sektor der Stadt gleißend wider.
    Er parkte den Wagen einen halben Kilometer von seinem Ziel entfernt und ging den letzten Weg zum Mausoleum von Yad Vashem zu Fuß. Die Allee bestand aus Bäumen, die zum Gedächtnis der Nichtjuden gepflanzt worden waren, die den Juden zu helfen versucht hatten. Sie führte zu den großen Bronzetüren, durch die man die Gedenkhalle für die sechs Millionen ermordeten Juden betritt.
    Der alte Torhüter sagte ihm, daß die Gedächtnisstätte zu so früher Stunde noch nicht geöffnet sei; als ihm der Major jedoch erklärte, weshalb er gekommen war, ließ ihn der alte Mann ein. Der Major ging in die Erinnerungshalle und blickte sich um. Er hatte diesen Ort schon wiederholt aufgesucht, um für seine Familie zu beten, aber die massiven grauen Granitquader, aus denen die Halle errichtet war, beeindruckten ihn auch jetzt wieder, als besuche er das Mausoleum zum erstenmal.
    Er trat an das Gitter und blickte auf die Namen in schwarzen hebräischen und lateinischen Lettern im grauen Steinboden. Die Ewige Flamme, die über der flachen Schale flackerte, aus der sie gespeist wurde, war das einzige Licht, das den Raum erhellte.
    In ihrem Schein las er die in den Granitboden geschnittenen Namen der Mordstätten: Auschwitz, Treblinka, Bergen-Belsen, Ravensbrück, Buchenwald … Es waren zu viele, als daß er sie hätte zählen können. Aber er fand den Namen, den er gesucht hatte: Riga.
    Er brauchte keine Yarmulka, um seinen Kopf zu bedecken, denn er trug sein rotes Barett. Aus seiner Reisetasche holte er einen Tallith, einen Seidenschal mit Fransen, wie ihn Peter Miller unter den nachgelassenen Habseligkeiten des alten Mannes in Altona vorgefunden hatte. Er legte sich den Tallith um die Schultern, nahm das Gebetbuch, das er ebenfalls mitgenommen hatte, und schlug die richtige Seite auf. Dann legte er die Linke auf das Messinggitter, das die Halle teilt, und blickte in die Flamme vor ihm. Da er nicht zu den strenggläubigen Juden zählte, mußte er häufig im Gebetbuch nachschauen, als er die fünftausend Jahre alten Gebete rezitierte:
    Yisgaddal,
    Veyiskaddash,
    Shemay rabbah …
    Und so geschah es, daß ein Major der israelischen Fallschirmtruppe auf einem Berg im Gelobten Land für Salomon Taubers vor einundzwanzig Jahren in Riga gestorbene Seele ein khaddish betete.
    Es wäre schön, wenn auf dieser Welt alle Dinge hübsch säuberlich zu Ende geführt und abgeschlossen werden könnten. Aber das ist bekanntlich höchst selten der Fall. Die Menschen leben und sterben weiterhin an vorherbestimmten Orten und zur vorherbestimmten Zeit. Was die Hauptpersonen dieses Berichts anlangt, so bleibt an dieser Stelle nachzutragen, was über ihr weiteres Schicksal in Erfahrung gebracht werden konnte:
    Peter Miller ist verheiratet und schreibt nur noch Storys, wie sie die Leute beim Frühstück oder im Frisiersalon lesen wollen. Im Sommer 1970 erwartete Sigi ihr drittes Kind.
    Was den merkwürdigen Todesfall eines gewissen Franz Bayer betrifft, so führten die Ermittlungen der Polizei bis heute zu keinem Ergebnis.
    Die Männer der ODESSA verstreuten sich. Eduard Roschmanns Frau erhielt wenige Tage nach ihrer Rückkehr von ihrem Mann ein Telegramm aus Argentinien. Sie weigerte sich, ihm nach dorthin zu folgen. Im Sommer 1965 schrieb sie ihm an die alte Adresse, Villa Jerbal, und bat ihn um die Scheidung vor einem argentinischen Gericht.
    Der Brief wurde ihm an seine neue Adresse nachgeschickt, und sie erhielt seine schriftliche Einwilligung unter der Bedingung, daß die Scheidung
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