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Die Akte Kachelmann

Die Akte Kachelmann

Titel: Die Akte Kachelmann
Autoren: Thomas Knellwolf
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Berliner Psychiatrieprofessor hätte die Exploration mit der Radiomoderatorin wie ein «Geschäftsgespräch» empfunden.
    Sonja A. ballt die Fäuste.
    Für die Staatsanwaltschaft passt es nicht zusammen, dass Sonja A. sich vorsätzlich selbst an den Beinen malträtiert hat, sich aber keine Geschichte ausdenkt, wie die Verletzungen entstanden sein könnten. Die Verteidigung verweist aber auf einen «abenteuerlichen Erklärungsversuch»: Sonja A. habe Rechtsmediziner Rainer Mattern gesagt, sie habe sich ihre Hämatome vielleicht beim Aufräumen, beim Anstoßen an einer Kante, zugefügt. Die Anzeigeerstatterin sei, so zeigt sich für Andrea Combé, fähig zu manipulieren. Sonja A. schüttelt langsam den Kopf, als sie das hört.
    Die Staatsanwaltschaft kommt auf das mutmaßliche Tatmesser zu sprechen. An der Klinge fanden sich nur winzige Blutreste, am Griff eine «Mischspur» von Sonja A. und vermutlich von Jörg Kachelmann. Am Messerrücken und an der Spitze ließ sich kein Erbgut feststellen. «Kommt das Messer gleichwohl als Tatwerkzeug in Betracht?», fragt sich Lars-Torben Oltrogge und er antwortet: «Dann müsste ein Spurenverlust eingetreten sein.» «Die Rechtsmediziner» hätten «die Möglichkeit, dass die Halsverletzungen durch das Messer verursacht worden sind, bejaht.» Oltrogge hält es für ausgeschlossen, dass Sonja A. sich die Verletzung selbst mit dem Messer beigebracht hat: Dann hätte sie ihre Hemmschwelle und Schmerzgrenze massiv überschreiten müssen und sie hätte DNA-Spuren von sich am Messerrücken entfernen müssen. Für «sehr naheliegend» hält es Oltrogge, dass Jörg Kachelmann seine Tatwaffe bewusst oder unbewusst an der Bettdecke abgewischt hat.
    Andrea Combé hingegen weist darauf hin, dass Sonja A. ausgesagt hatte, sie habe das Messer während des Geschlechtsverkehrs «immer» an ihrem Hals gespürt. Zuerst habe sie behauptet, es sei die Schneide gewesen, später war sie sich nicht mehr sicher. Combé schließt daraus, dass Sonja A. ihre Angaben den Ermittlungsergebnissen angepasst hat. Doch in jedem Fall, sagt die Strafverteidigerin, hätte bei so intensivem Kontakt mehr DNA von Kachelmann am Messer gefunden werden müssen. Die «Mischspur an der Nachweisgrenze» am Griff jedoch sei ein «Null-Befund».
    Jörg Kachelmann fixiert Sonja A., sie blickt zu Boden.
    Zum «Nachtatverhalten» eines Vergewaltigers passt für die Staatsanwaltschaft seine Schilderung der Hotelsuche. Der Beschuldigte hatte ausgesagt, bei einem ersten Hotel habe er «eine schwierige Parkplatzsituation vorgefunden, wo er sein Gepäck über eine weite Strecke hätte transportieren müssen». Deshalb sei er zum Holiday Inn beim Frankfurter Flughafen weitergefahren. Dort aber habe er kaum Gepäck mit aufs Zimmer genommen. «Dieses Problem hat sich gar nicht gestellt», folgert Oltrogge.
    Ebenfalls verdächtig kommt ihm vor, wie Kachelmann am Mittag danach am Handy auf Jana B., die Försterin aus Norddeutschland, gewirkt habe: «komplett aufgelöst», was auf «eine außergewöhnliche Gemütslage» hindeute. Die Verteidigung stellt Jana B. als «eine sehr auffällige Persönlichkeit» dar, die ihrem Expartner nicht wohlgesinnt sei. Zum angeblichen Gespräch könne die Zeugin nur sagen, seine Stimme sei «auffällig» gewesen. Vielleicht aber sei Jörg Kachelmann kurz vor dem Abflug nach Kanada «emotional betroffen» gewesen, weil er nach dem Auffliegen seiner Mehrfachbeziehungen bei Sonja A. «Konsequenzen für seine öffentliche Reputation fürchtete».
    «Vielleicht», mutmaßt Combé, «litt er auch selbst unter seinem pro-miskuitiven Lebenswandel.» Ihr Mandant habe damit rechnen müssen, dass sich Sonja A. mit Lena G. in Verbindung setze. Deshalbhabe er «zu seinem bekannten Exkulpationsmechanismus» gegriffen: Kaum in Kanada teilte er Lena G. in Hamburg mit, es gehe ihm gar nicht gut. In der kryptischen E-Mail an den Fernsehdirektor des Mitteldeutschen Rundfunks sieht die Verteidigung ebenfalls kein Indiz für eine vorangegangene Tat: Ein älterer E-Mail-Verkehr mit einer MDR-Redakteurin zeige, dass Jörg Kachelmann sich schon länger entschieden habe, keine Talkshows mehr zu moderieren.
    Bis zum Plädoyer der Staatsanwaltschaft blieb unbekannt, dass Jörg Kachelmann «vorsätzlich», so betont Oltrogge nun, alle empfangenen SMS – bis auf eine harmlose – aus vier bewegten Wochen gelöscht haben soll. Verschwunden sind auf seinem Nokia E51 auch alle Nachrichten von zwei besonderen Frauen: von Jolanda R. aus
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