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Die Akte Kachelmann

Die Akte Kachelmann

Titel: Die Akte Kachelmann
Autoren: Thomas Knellwolf
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einer gewissen Beharrlichkeit erfolgt.» Man müsse aber, findet Oltrogge, «diese Frage losgelöst von der Frage nach dem Tatgeschehen bewerten.» Der Staatsanwalt nimmt es der Zeugin ab, dass sie den Begleitbrief einzig und allein mit der Absicht angefertigthabe, Jörg Kachelmann zur Rede zu stellen. Sonja A. hätte «unmissverständliche Argumente» gebraucht, denn sonst wäre der Angeklagte, wie in vergleichbaren Situationen zuvor, einer Diskussion ausgewichen. Er habe tatsächlich so reagiert wie erwartet, als sie ihm die Ticketkopien vorgehalten habe: mit der Behauptung, das seien Fälschungen, Geld könne man auch fälschen.
    «Ein unverzeihlicher Fehler» seiner Mandantin, sagt Nebenklage-Vertreter Thomas Franz, sei es gewesen, die falsche Angabe bei den Ermittlern aufrechtzuerhalten. Die Verteidigung sieht dies ganz anders: «Kaltschnäuzigkeit» und «schauspielerisches Talent» habe Sonja A. bereits bewiesen, als sie unter dem falschen Namen Christina Brandner auf Facebook Lena G. kontaktierte, deren Name auf einem der Tickets gestanden hatte. «Sie räumte», betont Combé, «im Verfahren ihre Lügen erst ein, als die Beweislage schon erdrückend war.» «Einem Beschuldigten», sagt die Verteidigerin, «würde man bei einem solchen Verhalten eine hohe kriminelle Energie unterstellen.»
    Auch die Staatsanwaltschaft hat erkennen müssen, dass Sonja A. «ihre Lügengeschichte aufrechterhalten hat» und «bei Bedarf korrigiert, ohne dabei offensichtlich unglaubwürdig zu erscheinen». Allerdings findet die Anklagebehörde: «Man kann nicht wegen Lügen in Teilbereichen den Stab über Frau A. brechen und sagen, dass man ihr in keinem Punkt glauben kann.»
    Bis Prozessende bleibt das große Rätsel bestehen, wer letztlich mit den Flugschein-Kopien den Fall Kachelmann ausgelöst hat. Sonja A. hat stets beteuert, sie habe die Tickets in ihrem Briefkasten gefunden. Doch das nimmt ihr kaum jemand ab. Sogar die Staatsanwaltschaft zweifelt an der Version ihrer Hauptbelastungszeugin. «Es erscheint denkbar», erklärt Lars-Torben Oltrogge, «dass sie ihm vielleicht doch mal in die Taschen schaute und es uns nicht eingestehen wollte, um nicht noch schlechter dazustehen.» Für möglich hält es Oltrogge, dass ein unbekannter Dritter oder eine unbekannte DritteSonja A. und Lena G., deren Name auf einem der Lufthansa-Tickets stand, gegeneinander ausspielen wollte.
    «Völlig unplausibel» scheint der Verteidigung die Sache mit dem angeblichen anonymen Anruf, bei dem eine Männerstimme Sonja A. gefragt haben soll, ob sie Lena G. sei. Aus solchem Verhalten werde erneut ersichtlich, dass Sonja A. Lügengeschichten erfinde, um ihre Ziele zu erreichen. «Warum», merkt Combé an, «soll das bei der Vergewaltigungsgeschichte anders gewesen sein?»
    Jörg Kachelmann sitzt kerzengerade da und fixiert seine Expartnerin. Sonja A. hat sich von ihm ab-und dem Staatsanwalt zugewendet und hört ihre eigenen Worte, die Lars-Torben Oltrogge verliest: «Er schob mich ins Schlafzimmer, warf mich aufs Bett.» Ab da, sagt Oltrogge über die Aussage von Sonja A., «bleibt sie statisch und oberflächlich, sie macht Rückschlüsse, vermag Fragen nicht mehr zu beantworten». Im Kern habe sie gesagt, dass sie sich nur am Anfang gewehrt habe, «sie habe das Gefühl des Messers am Hals gehabt, obwohl sie wisse, dass das nicht so gewesen sein kann».
    Die Aussage zum «Kerngeschehen», findet Oltrogge, bleibe «dürftig». Rechtsanwalt Thomas Franz nimmt sich einen Fisherman’s Friend, Sonja A. lehnt ab.
    Die Anzeigeerstatterin habe bewusst spärliche Angaben gemacht, behauptet die Verteidigung, weil sie sich nicht in Widersprüche verstricken wollte. Die Staatsanwaltschaft liefert ein ganz anderes Erklärungsmodell: Kachelmanns Geständnis der vielen Parallelbeziehungen und die Todesdrohung hätten Sonja A. so schockiert, dass sie Teile der Vergewaltigung nicht im Gedächtnis gespeichert habe. Der «Wahrnehmungsfokus» des Opfers sei auf die Drohung mit dem Messer gerichtet gewesen. Deshalb habe Sonja A. auch nichts dazu sagen können, wie die großen und sicherlich sehr schmerzhaften Hämatome entstanden seien.
    Die Verteidigung hält entgegen, es sei «unplausibel, dass sie den Schmerz nicht gefühlt haben will», denn von Schmerzen im Unterleib, der unverletzt blieb, habe sie berichtet. Combé verweist auf den Gutachter Hans-Ludwig Kröber, der ausgeführt hat, dass bedrohliche Momente sich im Gedächtnis eines Menschen einbrennen. Der
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