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Die Ahnen von Avalon

Die Ahnen von Avalon

Titel: Die Ahnen von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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Terrasse, die von einer weinumrankten Pergola beschattet wurde. Ringsum wuchsen Ahtarraths blutrote Lilien und erfüllten die Luft mit ihren zarten Düften. Vom Meer wehte eine leichte Brise herüber. Tiriki legte den Kopf in den Nacken und ließ sich den Wind durch das Haar streichen. Wenn sie sich umdrehte, sah sie die Hänge des Sternenberges - des schlafenden Vulkans im Zentrum der Insel - in der Mittagshitze flimmern. Um den Fuß des Berges zog sich ein Waldgürtel, darüber schloss sich ein Flickenteppich aus Getreideäckern und Weingärten an. Wenn man hier saß, erschienen die Ereignisse des Vormittags wie ein böser Traum. Micails Vorfahren hatten hundert Generationen lang über diese Insel geherrscht. Welche Macht könnte so viel Weisheit, so viel Glanz zerstören?
    Micail nahm einen tiefen Schluck aus seinem irdenen Becher und stieß einen tiefen Seufzer der Befriedigung aus. Tiriki musste lachen. Ihr Gemahl hob eine Augenbraue und sah sie fragend an.
    »Du hast mich eben sehr an Rajasta erinnert«, erklärte sie.
    Micail grinste. »Unser alter Lehrer war eine erhabene Seele, aber einen guten Wein wusste er dennoch zu schätzen!« Er wurde wieder ernst. »Auch ich musste heute schon an ihn denken, aber aus anderen Gründen.«
    Tiriki nickte. »Ich versuche schon die ganze Zeit, mir ins Gedächtnis zu rufen, was er uns über die Katastrophe erzählte, die das Alte Land zerstörte. Als das Land zu sinken begann, blieb noch genügend Zeit, um die heiligen Schriften zu bergen und sie mit den Meistern der Mysterien, die sie lesen konnten, hierher zu schicken. Wenn aber nun das gesamte Seereich untergeht… wo soll dann das alte Wissen von Atlantis Zuflucht finden?«
    Micail hob seinen Becher. »Gerade deshalb schicken wir Abgesandte in den Osten nach Hellas und Khem und nach Norden bis zur Bernsteinküste und zu den Zinn-Inseln.«
    »Und was ist mit dem Wissen, das nicht auf Schriftrollen und Täfelchen festgehalten werden kann?«, überlegte Tiriki. »Mit den Dingen, die man sehen und spüren muss, um sie zu begreifen? Mit den Kräften, die ein Meister erst dann gefahrlos weitergeben kann, wenn sein Schüler die nötige Reife erlangt hat? Was ist mit der Weisheit, die nur von Seele zu Seele übertragen wird?«
    Micail runzelte nachdenklich die Stirn, aber seine Stimme klang unbekümmert, als er antwortete: »Unser Lehrer Rajasta pflegte zu sagen: Wie groß das Unheil auch sei, solange das Haus der Zwölf erhalten bleibe - nicht die gesamte Priesterschaft, nur die sechs Jungen und sechs Mädchen, die zu Priesterschülern erwählt wurden -, könne unser Reich in all seiner Größe neu erstehen. Und dann lachte er.«
    »Das kann nicht sein Ernst gewesen sein«, sagte Tiriki und dachte an Damisa und Kalhan, Elis und Aldel, Kalaran und Selast, Elara und Cleta und all die anderen. Die Zwölf entstammten Verbindungen, die in Abhängigkeit vom Lauf der Gestirne bestimmt worden waren. Man hatte sie regelrecht gezüchtet, sie besaßen die denkbar besten Anlagen. Aber sie waren noch so schrecklich jung .
    Tiriki schüttelte den Kopf.
    »Wenn sie erst ihre Ausbildung abgeschlossen haben, können wir ihnen wohl alle nicht mehr das Wasser reichen. Aber sie brauchen eine feste Hand, sonst werden sie, fürchte ich, der Versuchung erliegen und ihre Kräfte missbrauchen. Sogar mein Vater…« Sie hielt plötzlich inne, und das Blut schoss ihr in die blassen Wangen.
    Meistens gelang es ihr, zu verdrängen, dass nicht Reio-ta, der Gemahl ihrer Mutter, ihr leiblicher Vater war, sondern Riveda, der im Alten Land den magischen Orden der Grauen geführt hatte. Riveda hatte der Versuchung nicht widerstanden, er hatte sich mit verbotener Magie beschäftigt und war als Hexer hingerichtet worden.
    »Selbst Riveda hat nicht nur Unheil angerichtet, sondern auch Gutes vollbracht«, sagte Micail leise und nahm ihre Hand. »Die Herren des Schicksals haben seine Seele in ihre Obhut genommen, er wird seine Schuld in vielen Leben zu sühnen haben. Aber seine Schriften zur Behandlung von Krankheiten haben vielen Menschen das Leben gerettet. Sein Andenken sollte dich nicht quälen, Liebste. Hier kennt man ihn als großen Heiler.«
    Ein schwarzäugiger Jüngling brachte eine Platte mit Fladenbrot, kross gebratenen kleinen Fischen und Ziegenkäse mit gehackten Kräutern. Als er Tirikis blaue Augen und ihr blondes Haar bemerkte, sah er sie groß an. Beides hatte sie von Riveda geerbt, der nicht im Alten Land geboren war, sondern aus dem wenig
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