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Die Ahnen von Avalon

Die Ahnen von Avalon

Titel: Die Ahnen von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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Schein flackerte unruhig. Wieder erhob Mesira die Stimme.
    »Wir beschwören den Stein, das Gleichgewicht wiederherzustellen, auf dass die Menschen Frieden finden mögen. Denn die Vorzeichen verkünden Unheil. Wir haben uns an diesem Ort der Weisheit eingefunden, um Antworten auf unsere Fragen zu erbitten. Seherin, ich rufe Euch…« Mesira streckte beide Arme aus, und eine Gestalt im grauen Gewand löste sich von der Wand. »Es ist so weit. Möget Ihr für uns Augen und Stimme sein vor dem Ewigen.«
    Die Seherin lüftete ihren Schleier. Das helle Licht des Steins fiel auf Alyssas Züge. Das schwarze Haar hing ihr offen um die Schultern, die Pupillen waren geweitet, sie war bereits in Trance. Halb gebeugt betrat sie mit unsicheren Schritten den Lichtkreis um den Altar.
    Gebannt beobachteten die Sänger, wie die Seherin den Omphalos mit den Fingerspitzen berührte. In seinem Innern entstanden bunt schillernde Wirbel. Alyssa erstarrte, doch sie wich nicht zurück, sondern ging noch dichter an den Talisman heran.
    »Es ist… es ist vollbracht«, flüsterte sie endlich. »Eins bin ich mit dem Stein. Was er weiß, sollt Ihr erfahren. Stimmt an den heiligen Gesang, auf dass er uns vor die Pforten des Schicksals trage.«
    Die Sänger begannen leise zu summen. Micail erhob gebieterisch die Stimme und rief die Seherin mit ihrem Tempelnamen.
    » Neniaih, Seherin, höret Ihr mich?
Osinarmen ist es, der zu Euch spricht.
Erwachet, macht von den Träumen Euch frei
Wir sehnen Euren Spruch herbei .«
    »Ich höre.« Die Stimme war von durchdringender Schärfe, ganz anders, als Alyssa sonst sprach. »Hier bin ich. Was begehrt Ihr zu wissen?«
    »Sprecht, wir bitten Euch, wir werden Euch lauschen.« Micail sang die Floskel auf einem einzigen langen Ton, aber Tiriki hörte die Anspannung in seiner Stimme. »Wir sind gekommen, weil der Stein uns ruft, weil wir des Nachts sein Flüstern vernehmen.«
    Für einen Augenblick herrschte Stille. Dann raunte die Seherin: »Ihr kennt die Antwort bereits. Verlogen ist Eure Frage. Die Tür wurde geöffnet und lässt sich nun nicht mehr schließen. Stein türmt sich auf Stein, der Einsturz ist nicht aufzuhalten. Die Wälder werden langsam in Asche ersticken. Lange verharrte die Macht im Herzen der Welt, nun gerät sie in Bewegung… und sie ist hungrig .«
    Mit einem Mal geriet Tiriki ins Taumeln. Erbebten die Steinplatten unter ihren Füßen, oder stockte ihr eigenes Herz? Sie wusste es nicht. Sie warf einen Blick auf Micail, doch der stand wie versteinert, das Gesicht zur Fratze verzerrt.
    Reio-ta nahm allen Mut zusammen. »Die Finsternis ist schon früher ausgebrochen«, stieß er hervor, »und wurde immer wieder gebannt. Was müssen wir diesmal tun, um sie zu fesseln?«
    »Die Stille wächst. Was könnt Ihr schon tun, als gegen sie anzusingen?« Alyssa schüttelte sich in bitterem Gelächter, und diesmal erbebte die Erde mit ihr.
    Ein Zittern durchlief die Reihen der Sänger. Wie aus einem Munde riefen sie: »Wir dienen dem niemals erlöschenden Licht! Die Finsternis wird nicht obsiegen!«
    Doch die Erde hörte nicht auf zu beben. Die Fackeln flammten noch einmal auf und erloschen. Purpurne Blitze schossen aus dem Stein.
    Ein dumpfes Stöhnen war zu hören. Tiriki glaubte zunächst, die Höhle ächze in allen Fugen, doch die schauerlichen Töne drangen aus Alyssas Kehle.
    Die Seherin wollte sprechen, aber nur unverständliches Lallen kam über ihre Lippen.
    Die Sänger überwanden ihre Furcht und traten näher, um besser hören zu können, aber Alyssa wich mit ausgebreiteten Armen vor ihnen zurück, bis sie an den Stein stieß.
    »Die Blume des Bösen!« Ihre Schreie schallten weit über die runde Höhle hinaus. »Sie steigt empor! Blut und Feuer! ES IST ZU SPÄT!«
    Als das Echo verklang, wich die Spannung aus dem Körper der Seherin. Sie taumelte und wäre gestürzt, hätte Micail sie nicht rasch aufgefangen.
    »Bringt sie fort…«, keuchte Reio-ta. »Mesira, Ihr geht mit ihnen! Wir w-werden das R-ritual beenden…«
    Micail nickte und trug die Seherin aus der Höhle.

    Sie hatten Alyssa in die kleine Grotte am Tempeleingang gebracht. Hier war es unheimlich still. Die Erde war endlich zur Ruhe gekommen, aber Tiriki war bis in die Tiefen ihrer Seele erschüttert. Als sie die Grotte betrat, sah ihre Priesterschülerin Damisa, die hier mit dem übrigen Gefolge auf das Ende der Zeremonie wartete, aus grünen Augen angstvoll zu ihr auf.
    Micail drängte sich hastig an dem Mädchen vorbei und
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