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Die Ahnen von Avalon

Die Ahnen von Avalon

Titel: Die Ahnen von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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streichelte kurz Tirikis Hand, eine Geste, die mehr Zärtlichkeit verriet als jede Umarmung. Ihre Blicke trafen sich, um einander stumm zu beteuern: Ich bin hier… ich bin hier. Der Himmel stürzt ein, doch wir werden überleben .
    Aus der großen Höhle waren aufgeregte Stimmen zu vernehmen.
    »Was geht dort vor?«, murmelte Micail und deutete mit dem Kopf in die Richtung, aus der die Laute kamen.
    Tiriki zuckte die Achseln, ohne seine Hand loszulassen. »Die eine Hälfte beteuert, wir hätten Alyssas Worte nicht verstanden, und die andere ist fest überzeugt, dass Ahtarra kurz davor steht, im Meer zu versinken. Reio-ta kommt schon zurecht.« Sie sah zu Alyssa hinüber, die auf einer Bank lag. Mesira stand neben ihr. »Aber wie geht es ihr?«
    Das Antlitz der Seherin war bleich, und ihr langes Haar, das heute Morgen noch rabenschwarz geglänzt hatte, war nun von grauen Strähnen durchzogen.
    »Sie schläft«, sagte Mesira schlicht. Im weichen Lichtschein, der durch die Tür fiel, sah man der Heilerin ihre Jahre deutlich an. »Wann sie erwacht? Ich denke, es wird noch eine Weile dauern, bis wir sagen können, ob sie bleibenden Schaden genommen hat. Ihr könnt ruhig gehen. Ich glaube nicht, dass wir noch mehr von ihr erfahren werden. Mein Zögling holt bereits eine Sänfte. Wir bringen sie ins Haus der Heiler. Sobald sich ihr Zustand verändert, gebe ich Bescheid.«
    Micail hatte bereits das Priestergewand abgelegt und das Medaillon unter die ärmellose Tunika geschoben. Tiriki faltete ihren Schleier und die Robe zusammen und reichte beides Damisa. »Wollen wir auch nach Trägern rufen?«, fragte sie.
    Micail schüttelte den Kopf. »Fühlst du dich kräftig genug für einen Spaziergang? Ich möchte das reine Licht des Tages auf der Haut spüren.«

    Im Freien zu sein war eine Wohltat. Die grelle, heiße Mittagssonne vertrieb die Kälte der unterirdischen Höhlen aus den Knochen und löste die Spannung in Nacken und Schultern. Tiriki eilte mit langen Schritten hinter ihrem Gemahl her. Vor den roten und weißen Steinsäulen am Eingang zum unterirdischen Heiligtum sah sie auf eine Reihe von blau gedeckten Dächern. Weiter unten ragten mehrere neu errichtete Kuppelbauten mattweiß und rot aus dem Grün der städtischen Gärten. Dahinter erstreckte sich das glitzernde Meer in seiner unendlichen Weite.
    Sie traten unter dem Säulendach hervor, mitten hinein in die Geräusche und Gerüche der Stadt - Hundegebell, Kindergeschrei, die Stimmen der Händler, die ihre Waren anpriesen, der würzige Geruch der hier so beliebten Fischsuppe und, weniger appetitlich, der Gestank einer Kloake. Die Brände, die nach dem Erdbeben der vergangenen Nacht ausgebrochen waren, hatte man inzwischen gelöscht, und die Aufräumungsarbeiten waren in vollem Gange. Die Schäden waren nicht so arg, wie Tiriki befürchtet hatte. Tatsächlich war mittlerweile die Angst der schlimmste Feind. Sogar den Gestank fand sie nach der Begegnung mit der unheimlichen Macht des Steins beruhigend, bestätigte er doch, dass der Alltag wieder eingekehrt war.
    Vielleicht erging es Micail ähnlich. Jedenfalls nahm er nicht den weiß gepflasterten Prozessionsweg zum Palast, sondern die längere Straße, die in weitem Bogen von den hohen Gebäuden des Tempelbezirks weg und auf den Marktplatz führte. Hier bogen sie in eine Seitenstraße ein, auf der man zum Hafen gelangte. Die glänzenden Fassaden der Drei Türme entschwanden ihren Blicken. Die Händler feilschten mit ihren Kunden, als wäre es ein Tag wie jeder andere. Hin und wieder traf die beiden ein bewundernder Blick, aber niemand zeigte mit dem Finger auf sie oder starrte sie aufdringlich an. Ohne die Priestergewänder sahen Tiriki und Micail aus wie ein ganz gewöhnliches Paar, das auf dem Markt seine Einkäufe erledigte, auch wenn sie größer und von vornehmerer Erscheinung waren als die durchschnittlichen Stadtbewohner. Und hätte sie tatsächlich jemand belästigen wollen, die Entschlossenheit in Micails kräftigen Zügen und sein energischer Schritt hätten als Abschreckung genügt.
    »Bist du hungrig?«, fragte sie. Sie hatten für das Ritual gefastet, und jetzt war es schon fast Mittag.
    »Eher durstig«, grinste er. »Am Hafen gab es früher eine Taverne, die einen guten Tropfen ausschenkte - nicht den sauren Roten, den man bei uns keltert, sondern einen ordentlichen Jahrgang aus dem Land der Hellenen. Sei unbesorgt - du wirst auch vom Essen nicht enttäuscht sein.«
    Die Taverne hatte eine große
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