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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende
Autoren: Philipp Vandenberg
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wurde es um ihn Nacht.

Kapitel 3
    Als Lukas Malberg wieder zu sich kam, blickte er in das herbe Gesicht einer Krankenschwester. In allernächster Nähe vernahm er einen regelmäßigen, nervenden Piepston.
    »Wo bin ich?«, erkundigte er sich bei der Schwester.
    »Im Klinikum Santa Cecilia. Sie hatten einen Unfall.«
    Erst jetzt bemerkte Malberg, dass sein Kopf schmerzte. Ihm war übel, und er hatte Mühe zu atmen.
    »Einen Unfall? Ich kann mich nicht erinnern.« Malberg versuchte sich zu konzentrieren, aber der Versuch misslang.
    »Kein Wunder, Sie haben eine Gehirnerschütterung. Trotzdem können Sie noch von Glück reden. Außer der Platzwunde am Kopf sind Sie noch glimpflich davongekommen.«
    Malberg betastete seine Stirn und fühlte einen leichten Verband. »Einen Unfall, sagten Sie?«
    »Auf der Via di Trastevere. Der Fahrer ist flüchtig.«
    So sehr Malberg sich sein Gehirn zermarterte, im Dunkel seiner Erinnerung tauchte kein Unfall auf. Aber plötzlich, als habe ein Funke sein Gedächtnis entzündet, flammte in seinem Kopf ein Bild auf: Marlenes Leiche im Wasser der Badewanne. Malberg stöhnte auf.
    »Sie sollten sich keine Sorgen machen«, antwortete die Schwester. »In einer Woche werden Sie wieder entlassen. Was Sie jetzt brauchen, ist vor allem Ruhe.«
    Malberg kniff die Augenbrauen zusammen und sah die Schwester fragend an. »Und sonst?«
    »Was meinen Sie?«
    »Ich meine, sonst ist nichts passiert?«
    Die Schwester schüttelte den Kopf. Dann sagte sie: »Ich kann Sie doch einen Augenblick allein lassen?«
    »Schon gut«, erwiderte Malberg.
    Allein in dem kahlen weißen Raum, bekam er es mit der Angst zu tun. Das EKG-Gerät, an welches er angeschlossen war, piepste nervtötend. Unter höchster Konzentration versuchte Malberg seine Erinnerungen zu ordnen: die Rom-Reise im Nachtzug, seine Ankunft im Hotel Cardinal, wie er mit Marlene telefoniert hatte, und dann der Albtraum, Marlene tot in der Badewanne.
    Bei diesem Gedanken beschleunigte das Überwachungsgerät seine Taktfrequenz. Im selben Augenblick kam die Schwester in Begleitung eines Arztes zurück.
    »Dottor Lizzani.« Der Doktor reichte Malberg die Hand. »Und wie ist Ihr Name?«, fragte Lizzani geschäftsmäßig.
    »Lukas Malberg.«
    »Sie sind Deutscher?«
    »Ja. Doktor, aber ich kann mich an keinen Unfall erinnern.«
    Lizzani warf der Schwester einen bedeutungsvollen Blick zu. Dann fragte er unvermittelt: »Wie viel ist drei mal neun?«
    »Dottore«, empörte sich Malberg, »ich bin völlig in Ordnung. Es ist nur – ich kann mich an keinen Unfall erinnern!«
    »Drei mal neun?«, wiederholte der Arzt unnachgiebig.
    »Siebenundzwanzig«, knurrte der Patient unwillig. Und gekränkt fügte er hinzu: »… wenn ich mich nicht verrechnet habe.«
    Dottor Lizzani ließ sich nicht beirren: »Haben Sie Angehörige in Rom, die wir benachrichtigen können?«
    »Nein.«
    »Sie sind hier auf Urlaub?«
    »Nein, eher geschäftlich.«
    Eher geschäftlich verlief auch die weitere Unterredung zwischen Arzt und Patient. Sie endete mit der Ankündigung des Dottore: »Wir werden Sie ein paar Tage zur Beobachtung hierbehalten, Signor Malberg. Und was Ihren Blackout wegen des Unfalls betrifft, müssen Sie sich keine Sorgen machen. Das ist völlig normal. Früher oder später wird sich Ihr Erinnerungsvermögen wieder einstellen.«
    »Und die Drähte?«, meinte Malberg mit einem vorwurfsvollen Blick auf die Kabel, die zum Überwachungsgerät führten.
    »Die kann Ihnen die Schwester abnehmen. Guten Tag, Signore.«
    Nachdem die Schwester ihn vom Gewirr der Leitungen befreit und das Zimmer verlassen hatte, sah sich Malberg um. Aber außer dem EKG-Gerät, von dem die Verkabelung herabhing wie die Fangarme eines Polypen, gab es da nichts zu sehen. Nur weiße, kahle Wände und eine weiße Schrankwand. Ein weißer Stuhl mit seiner Kleidung.
    Auf dem Nachttisch aus weiß gestrichenem Stahlrohr lagen seine Brieftasche und daneben das Notizbuch, das Malberg in Marlenes Wohnung an sich genommen hatte. Der Anblick versetzte ihm einen Schlag in die Magengrube. Ihm wurde übel.
    Malberg bemerkte, wie seine Hände zitterten, als er in dem Notizbuch zu blättern begann. Die ungelenke Mädchenschrift wollte so gar nicht zum selbstbewussten Erscheinungsbild Marlenes passen. Noch größeres Erstaunen lösten jedoch die Eintragungen aus: keine Namen, keine Adressen, nur seltsam verschlüsselte Wörter. Was hatten diese Eintragungen zu bedeuten?
    Laetare: Maleachi

Sexagesima:
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