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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende
Autoren: Philipp Vandenberg
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des Feuers zu verschwenden. Auch Gruna konnte sich für Augenblicke der Faszination des nächtlichen Spektakels nicht entziehen.
    Aber plötzlich, als sei er aus einem Traum erwacht, stammelte er: »Wir müssen hier raus! So schnell wie möglich.« Gruna legte Malberg, der immer noch wie paralysiert in die Tiefe starrte, die Hand um die Mitte und zog ihn mit sich zum Treppenabgang.
    Im sechsten Stock angelangt, wo ihnen dichter schwarzer Qualm entgegenkam, wollte sich Malberg dem langen Gang zuwenden, der zum Archiv führte.
    »Sind Sie verrückt?«, brüllte ihn Gruna an. Und dabei hustete er sich die Seele aus dem Leib. Schließlich zog er Malberg am Ärmel zur Treppe zurück.
    »Aber das Mendelsche Buch!« Malberg hustete. »Das Buch ist unersetzlich.«
    »Ihr Leben ist genauso unersetzlich, Sie Idiot!«
    Der Rüffel traf Malberg in seinem Innersten und holte ihn in die Wirklichkeit zurück.
    So schnell es die steilen Holztreppen erlaubten, rannten sie nach unten. Eine Traube gestikulierender, hustender, schreiender Männer drängte sich vor dem Ausgang zum Burghof. Auch hier Rauch, dazu pestilenzialischer Gestank.
    Als sie endlich das Freie erreicht hatten, schlug Malberg nicht den direkten Weg zum Burgtor ein, den alle anderen nahmen. Er wandte sich nach links, wo, keine zehn Meter vom Ausgang entfernt, ein in einen Tarnanzug gekleidetes Bündel Mensch auf dem Pflaster lag.
    Aus dem Kopf, oder dem, was davon noch zu erkennen war, sickerte eine dunkle Blutlache auf das Pflaster. Der Pfeil, den Malberg in Marlenes Rücken gesehen hatte, hatte beim Aufprall ihren Körper durchbohrt und ragte jetzt mit der Spitze aus dem Brustkorb.
    Der Qualm und das Feuer über ihm wurden stärker. Die ersten Fensterscheiben splitterten, und Malberg wandte sich zum Burgtor. Noch einmal drehte er sich um und blickte in Richtung des Burgfrieds. Da sah er eine lebende Fackel, eine brennende Gestalt mit einem Kanister in der Hand: Murath.
    An mehreren Stellen goss der Professor eine Flüssigkeit aus dem Kanister und entflammte sie mit seiner brennenden Kleidung. Als der Kanister leer war, warf er ihn von sich und tanzte wie ein Teufel um die arme Seele. Er lachte ein irres Lachen und schrie: »Wenn die tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan losgelassen aus dem Kerker.«
    Kein Zweifel, nachdem auch sein letztes Experiment misslungen war, war er verrückt geworden.
    Sein schauriges Geschrei ging beinahe unter im Prasseln des Feuers. Da wandte sich Malberg ab und rannte den anderen Männern hinterher.
    In Panik drängten die Fideles Fidei Flagrantes durch die enge Schlucht. Jeder wollte den anderen überholen. Blutrot färbte sich der Himmel. Er warf ein unheimliches, fahles Licht auf die entsetzten Gesichter.
    Sirenen heulten in der Ferne, kamen näher von allen Seiten und vereinigten sich zu einem schauerlichen Chor, der in den Ohren gellte.
    Als Malberg umgeben von schreienden, um sich schlagenden Männern die Weggabelung erreichte, stob der Pulk auseinander. Die wenigsten wählten, wie Malberg, die Straße, die nach Lorch ins Tal führte. Wie von Furien gejagt, irrten die Brüder die ganze Nacht durch die Wälder.

Kapitel 60
    Auf Burg Layenfels wüteten die Flammen bis zum Abend des . folgenden Tages. Aufgrund der abgeschiedenen Lage blieben alle Löschversuche erfolglos. Das trutzige Gemäuer brannte bis auf die Grundfesten nieder.
    In den Flammen wurde das Grabtuch des Jesus von Nazareth vernichtet - das Original. Ebenso das kostbare Buch des Gregor Mendel, das nur für kurze Zeit ins Bewusstsein der Menschen zurückgekehrt war, am Ende jedoch sein Geheimnis für sich behielt. Vor allem aber wurde der teuflische Plan zweier Besessener zerstört, die Welt zu verändern und ihr das zu nehmen, was vielen Menschen Halt gibt.
    Malberg hatte den Rest der Nacht schlaflos im Hotel Krone in Assmannshausen verbracht. Er war zu aufgewühlt. Zu aufgeregt, um mit Caterina zu sprechen.
    Erst morgens gegen sieben, nachdem er lange geduscht hatte, so als wollte er die fürchtbaren Erlebnisse der vergangenen Nacht wegspülen, wählte er ihre Nummer.
    Verschlafen meldete sich Caterina am Telefon.
    »Ich habe mir Sorgen gemacht«, sagte sie, »mehrmals habe ich versucht, dich zu erreichen. Was ist los?«
    »Marlene ist tot«, antwortete Malberg leise.
    »Ich weiß, Lukas, ich weiß.«
    »Nichts weißt du«, erwiderte er, während er in den klaren Morgenhimmel blickte, »und es wird auch nicht einfach sein, dir das zu erklären.« Dabei drückte
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