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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende
Autoren: Philipp Vandenberg
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Gruna schließlich fort, »erwies sich für Anicet als Glücksfall. Der Professor für Molekularbiologie war vom Leben ebenso enttäuscht wie der Ex-Kardinal. Tecina hatte man den Papstthron versagt, Murath den Nobelpreis. Das schwedische Komitee verkannte die Bedeutung seiner Entdeckung. Aufgrund von Indiskretionen wurde sogar bekannt, dass sich die Herren über Murath lustig machten. Enttäuscht wandte sich Murath ab vom regulären Wissenschaftsbetrieb. Bei Anicet fand er ein offenes Ohr und Aufnahme in die Bruderschaft.«
    »Und welche bahnbrechende Entdeckung hat Murath gemacht?«, fragte Malberg mit einem unguten Gefühl.
    »Das soll Ihnen Dr. Dulazek erklären«, sagte Gruna. »Der versteht mehr davon.«
    Scheinbar teilnahmslos hatte Dulazek die Rede seines Freundes Gruna verfolgt. Jetzt sah er Malberg ins Gesicht als wollte er prüfen, ob er auch aufnahmefähig war für seine Worte. Schließlich sagte er zurückhaltend, beinahe andachtsvoll: »Murath hat das Gottes-Gen entdeckt.«
    »Das Gottes-Gen? Verzeihen Sie, aber das verstehe ich nicht.«
    »Ich will versuchen, es mit einfachen Worten zu erklären: Seit Jahrtausenden, seit Beginn der Menschheitsgeschichte glaubt der Mensch an Götter oder auch nur an einen Gott. Ganz gleich, ob sie ihn Zeus, Jupiter, Jesus, Buddha oder Allah nennen. Das ist schon einigermaßen verblüffend. Anfang der neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts, als die Molekularbiologie ihren ersten Boom erlebte, äußerten Wissenschaftler zum ersten Mal den Verdacht, der Glaube könnte von einem menschlichen Gen initiiert sein. Aber unter dreißigtausend Genen des Menschen ausgerechnet jenes zu isolieren, welches dafür verantwortlich ist, dass erwachsene Menschen vor einer Holzstatue auf den Boden fallen oder sich in einer Moschee die Stirn auf dem Teppich reiben, das glich der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Bisher weiß niemand, wie es Murath wirklich gelungen ist, dieses Gen zu finden. Tatsache ist: Alle Anzeichen sprechen dafür, dass Murath aus der Desoxyribonukleinsäure, der sogenannten DNS, das dafür verantwortliche Gen isoliert hat.«
    »Interessant«, bemerkte Malberg. Doch seine Bemerkung klang nicht gerade überzeugend.
    »Dieses eine Gen«, fuhr Dulazek fort, »wird wie alle Erbinformationen von einer Generation an die nächste weitergegeben. Es ist also dafür verantwortlich, dass der Mensch bereits als religiöses Wesen geboren wird. Und natürlich auch dafür, dass er in fünftausend Jahren Menschheitsgeschichte die schönsten Pyramiden, Tempel, Kirchen und Moscheen gebaut hat. Aber diese Fakten allein sind es nicht, die Muraths Entdeckung so faszinierend machen ...«
    Malberg nickte. Ihm dämmerte, worauf Dulazek hinauswollte. »Gene sind manipulierbar. Ich las von einem Versuch mit Mäusen, die nach der Genmanipulation durch einen Neurobiologen auf einmal, gegen ihre Natur, monogam wurden.«
    »Ähnlich manipulierbar wäre natürlich auch das Gottes-Gen beim Menschen. Und Sie wissen, was das bedeutet. Muraths Forschungen könnten dazu führen, jeden Glauben an Gott im Keim zu ersticken, ihn gar nicht erst aufkommen zu lassen.«
    »Mein Gott«, rutschte es Malberg heraus. »Und wie lange könnte es dauern, bis kein Mensch auf der Welt mehr an Gott glaubt?«
    Dulazek zuckte mit den Schultern. »Ein paar Generationen. Dann sind unsere Tempel, Kirchen und Moscheen nur noch Museen aus einer Zeit, in der das Gottes-Gen unbekannt war.«
    »Ich möchte nicht in Muraths Haut stecken«, bemerkte Malberg, und dabei verzog er das Gesicht. »Der Teufel könnte sich keinen perfideren Plan ausdenken.«
    »Warum, glauben Sie, hat er sich auf Burg Layenfels zurückgezogen? Es gibt nicht wenige, die ihn lieber tot als lebendig sähen. Früher war Murath in der ganzen Welt unterwegs. Er gehörte zu der Spezies, die in Wissenschaftskreisen >die Herren Callgirls< genannt werden, Wissenschaftler, die auf Einladung von Kongress zu Kongress reisen und wie Popstars gefeiert werden. Aber das hat aufgehört. Murath lebt auf Layenfels sein eigenes Leben, und das unterscheidet sich deutlich von dem der anderen Mitglieder der Bruderschaft.«
    Ganz allmählich begann Malberg gewisse Zusammenhänge zu begreifen. Offenbar hatte Murath auch in der Burg seine Feinde.
    »Es gibt dabei allerdings noch eine Schwierigkeit«, unterbrach Gruna das Schweigen. »Für die Manipulation des Gottes-Gens braucht Professor Murath eine DNS, die dieses Gen nicht enthält. Und das ist der
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