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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende
Autoren: Philipp Vandenberg
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wir bei dem Hämatologen Ulf Gruna, einem Mitglied der Bruderschaft.«
    »Lukas, das ist eine wilde Theorie!«
    »Keineswegs. – Dieser Hämatologe, der einzige Mensch, mit dem ich bisher reden konnte, trug eine Kette unter seinem Sakko …«
    »Lass mich raten«, unterbrach Caterina. »Eine Kette mit dem Runenkreuz.«
    »Du sagst es!«
    »Das ist alles ziemlich unheimlich.«
    »Ich weiß, ich wage es auch gar nicht, den Gedanken weiter-zuspinnen.«
    »Und das Buch? Was ist mit dem Buch?«
    »Es liegt oben im Archiv, meinem neuen Arbeitsplatz. Ich hielt es in Händen. Ein merkwürdiges Gefühl. Das kannst du mir glauben. Ich bin ziemlich aufgeregt.«
    »Glaubst du, du wirst es schaffen?«
    »Du meinst, den Text zu entschlüsseln? – Ich bin mir noch nicht sicher. Gerade habe ich mich noch einmal in das Buch von Friedrich Franz, Mendels Mitbruder, vertieft. Er gibt Hinweise auf Mendels Verschlüsselungstechnik und macht sogar Andeutungen, warum der Inhalt dieses Buches so brisant sei.«
    »Lukas, versprich mir, dass du gut auf dich aufpasst.« Caterina klang ängstlich.
    »Mach dir keine Sorgen. Ich halte dich auf dem Laufenden. Ich küsse dich!«
    Damit war das Gespräch beendet.
    Malberg war müde. So müde, dass er sich in voller Kleidung auf sein Bett fallen ließ und nach wenigen Sekunden einschlief.
    Er hatte keine Ahnung, wie lange sein Schlaf gedauert haben mochte – doch plötzlich war er hellwach. Die Burg, welche sich bisher vor allem durch die Stille in ihren Mauern auszeichnete, schien auf einmal zum Leben erwacht.
    Seltsame, undefinierbare Geräusche drangen aus allen Richtungen an sein Ohr, verstummten und begannen von Neuem. Vor seinem Zimmer vernahm er Schritte, die sich näherten und wieder entfernten. An Schlaf war nicht mehr zu denken.
    Es wird nicht leicht sein, dachte Malberg, sich an diesen Arbeitsrhythmus zu gewöhnen. Durch seinen Kopf schwirrten tausend Gedanken, und ihn quälte die Frage, was in dieser seltsamen Burg eigentlich vor sich ging.
    Eine knappe Stunde wälzte er sich hin und her. Er blickte auf die Uhr: halb zwölf. Da stand er auf. Vor dem Waschbecken spritzte er sich Wasser ins Gesicht. Dann nahm er seine mitgebrachten Bücher unter den Arm und machte sich auf den Weg zum Archiv.
    Malberg war darauf gefasst, einen ähnlichen Irrweg zurückzulegen wie Stunden zuvor. Deshalb blickte er irritiert, als er den Eingang zum Archiv unerwartet schnell erreichte. Der Weg dorthin war dunkel, aber der Vorraum mit seinem Arbeitsplatz war hell erleuchtet.
    Seine Bücher legte Malberg auf den Refektoriumstisch. Unschlüssig trat er an das einzige Fenster des Raumes und blickte nach draußen. Das Fenster öffnete sich zum Burghof, der jetzt im Dunkeln lag. Hinter einigen Fenstern des gegenüberliegenden Gebäudetraktes flackerte Licht. Hier und da sah man einen Schatten, der vorüberhuschte. Schließlich nahm Malberg hinter dem breiten Tisch Platz.
    Das Mendelsche Buch lag vor ihm wie ein Tresor mit unschätzbarem Inhalt. Es galt nur, den Schlüssel zu finden, ins Schloss zu stecken und den geheimnivollen Inhalt zu sichten.
    Wie Mendels Mitbruder Franz beschrieben hatte, nahm Malberg ein Blatt Papier und kritzelte das lateinische Alphabet in zwei Reihen untereinander. Die Buchstaben J und Q ließ er aus und kam damit auf vierundzwanzig Buchstaben. Genauso viele Buchstaben hat das griechische Alphabet.
    Beginnend mit alpha und endend mit
omega
, setzte er darüber die Buchstabenreihe des griechischen Alphabets, also
alpha
über a,
beta
über b,
gamma
über c und sofort.
    bets, also alpha über a, beta über b, gamma über c und sofort.
    Zwar lauten die ersten zwei Buchstaben des lateinischen wie des griechischen Alphabets gleich. Aber dann nehmen beide Buchstabenreihen einen anderen Verlauf: In der lateinischen Schrift folgt auf das b ein c, in der griechischen Schrift folgt auf das b ein g. Das Griechische kennt kein j, deshalb ließ Mendel es auch im lateinischen Alphabet weg. Ebenso das q. Und weil es im Griechischen auch kein w gibt, umschrieb Mendel es mit einem f.
    Auf diese Weise kam Malberg zu folgendem Codeschlüssel:

Die erste Seite des Mendelschen Buches begann mit den Worten:
    Fenn die satrend iape yxllendes rind …

    Schon dieser erste Satz machte deutlich, dass Malberg eine wahre Sisyphusarbeit bevorstand, denn er musste nicht etwa jedes Wort, sondern jeden einzelnen Buchstaben in das von Mendels Mitbruder genannte System übertragen.
    Eine Weile hielt er sich bei dem Gedanken
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