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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar
Autoren: Isabel Allende
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KAPITEL
Das Monstrum mit den drei Köpfen
    Diejenigen, die sahen, wie sich der fremde Junge in eine schwarze Katze verwandelte, begriffen, dass dies die phantastischste Nacht ihres Lebens war. Wie sollten sie je all die Wunder beschreiben? Nie zuvor hatten sie eine solche große schwarze Raubkatze gesehen, in ihrer Sprache gab es keinen Namen für dieses Tier, das sich da brüllend auf den Kommandanten stürzte. Der heiße Raubtieratem schlug Mbembelé ins Gesicht, die Krallen gruben sich in seine Schultern. Er hätte schießen können, aber er war starr vor Entsetzen, denn was hier vorging, war übernatürlich und nur durch einen mächtigen Zauber zu erklären. Um sich schlagend, entwand er sich der tödlichen Umklammerung des Jaguars und floh in den Wald, verfolgt von der schwarzen Katze. Die Umstehenden sahen entgeistert, wie sich die beiden im Dunkel verloren.
    Für Dorfbewohner wie Pygmäen war Magie etwas Alltägliches, sie fühlten sich umringt von Geistern und fürchteten ständig, sie zu erzürnen oder ein Tabu zu brechen und damit die verborgenen Kräfte zu entfesseln. Sie glaubten, dass Krankheiten eine Folge von Zauberei waren und daher jede Heilung der Zauberei bedurfte, dass man nicht zur Jagd oder zu einer Reise aufbrechen konnte, ohne zuvor die Götter durch eine Zeremonie milde zu stimmen, dass des Nachts Dämonen und bei Tage die guten Geister umgingen und dass die Toten zu gefräßigen Wesen wurden. Für sie war die greifbare Welt geheimnisvoll und das Leben selbst ein Rätsel. Oft schon hatten sie Beispiele für Zauberei gesehen – oder glaubten, sie gesehen zu haben –, warum also sollte ein Mensch nicht zu einem Raubtier werden können? Zwei Gründe konnte es für die Verwandlung geben: Entweder war dieser Alexander ein sehr mächtiger Zauberer, oder er war ein Tiergeist, der vorübergehend die Gestalt des Jungen angenommen hatte.
    Für Bruder Fernando, der neben Alex gestanden hatte, als der zu seinem Totemtier wurde, stellte sich die Sache etwas anders dar. Der Missionar hielt sich selbst für einen aufgeklärten undgebildeten Europäer, und er sah zwar, was passierte, aber sein Verstand erhob umgehend Einspruch. Er nahm seine Brille von der Nase und wischte sie an seiner Hose sauber. »Ich brauche in der Tat eine neue«, murmelte er und rieb sich die Augen. Dass Alexander in eben dem Moment verschwunden war, als diese riesenhafte Katze aus dem Nichts auftauchte, dafür ließen sich unzählige Erklärungen finden: Es war Nacht, auf dem Platz herrschte eine fürchterliche Verwirrung, im Schein der Fackeln konnte man kaum etwas erkennen, und er selbst war in hohem Maße aufgewühlt. Jedenfalls hatte er jetzt nicht die Zeit, lange darüber zu grübeln, es gab viel zu tun. Die Pygmäen – Männer wie Frauen – hielten die Soldaten mit ihren Speeren und Netzen in Schach. Die Wachleute wussten noch immer nicht, ob sie ihre Waffen hinwerfen oder den Soldaten helfen sollten. Die Dorfbevölkerung schien bereit, Mbembelés Leuten den Garaus zu machen. In dieser aufgeheizten Stimmung konnte es zu einem Massaker kommen, sollten die Wachleute den Soldaten beistehen.
    Es dauerte nicht lange, da war Alex zurück. Nur der sonderbare Ausdruck auf seinem Gesicht, die Glut in seinen Augen und die gebleckten Zähne zeugten von dem, was geschehen war. Kate lief ihm aufgeregt entgegen.
    »Du kannst dir nicht vorstellen, was hier eben los war! Ein schwarzer Panther ist über Mbembelé hergefallen! Hoffentlich hat er ihn gefressen, verdient hätte er es.«
    »Kein Panther, Kate, ein Jaguar. Gefressen hat er ihn nicht, aber er hat ihm einen ordentlichen Schreck eingejagt.«
    »Woher weißt du das?«
    »Wie oft muss ich dir noch sagen, dass der Jaguar mein Totemtier ist?«
    »Kommst du mir schon wieder damit, Alexander! Ich dachte, du wirst langsam erwachsen. Wo ist Nadia?«
    »Sie kommt gleich.«
    ~
    In der nächsten halben Stunde entspannte sich die Lage im Dorf, wozu Bruder Fernando, Kate und Angie ihren Teil beitrugen. DerMissionar überzeugte die Soldaten der Bruderschaft davon, dass es besser für sie war, sich zu ergeben, wenn sie Ngoubé lebend verlassen wollten, da ihre Gewehre nicht funktionierten, ihr Kommandant verschwunden war und sie die Dorfbevölkerung geschlossen gegen sich hatten.
    Unterdessen waren Kate und Angie mit Nzés Mutter und einer seiner Schwestern zur Schlafhütte gegangen und hatten den Verwundeten auf einer behelfsmäßigen Bahre auf den Dorfplatz getragen. Der Ärmste glühte im
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