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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar
Autoren: Isabel Allende
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dem Rüssel, der ihm die Leopardenmaske mitsamt den Büffelhörnern und Zweigen vom Kopf riss und sein Gesicht preisgab. Alle erkannten ihn wieder: Kosongo, Mbembelé und Sombe waren ein und derselbe Mann, die drei Köpfe des Ungeheuers.
    Aus allen Kehlen brach ein langes und heiseres Brüllen. Diejenigen, die sich in Krämpfen gewunden hatten, die erstarrt waren oder bluteten, erwachten aus ihrer Trance, die Knienden erhoben sich, und die menschliche Masse drängte mit drohender Entschlossenheit auf den Mann zu, der ihr Tyrann gewesen war. Kosongo-Mbembelé-Sombe wollte fliehen, aber der Weg war versperrt. Hände ohne Zahl packten ihn, hoben ihn hoch und trugen ihn über den Köpfen der Menge zum Brunnen der Hinrichtungen. Ein markerschütternder Schrei begleitete den Sturz des massigen Monstrums mit den drei Köpfen hinab zu den aufgerissenen Mäulern der Krokodile.
    ~
    Für Alexander sollte es schwierig werden, sich an die Einzelheiten jener Nacht zu erinnern. Er würde sie nicht mit der Leichtigkeit zu Papier bringen, mit der er seine übrigen Abenteuer beschrieben hatte. Hatte er alles nur geträumt? War auch er in der Hysterie der Masse gefangen gewesen? Oder hatte er tatsächlich mit eigenenAugen all die Geschöpfe gesehen, die Nadia herbeigerufen hatte? Er wusste keine Antwort auf diese Fragen. Als er Nadia erzählte, wie er das alles erlebt hatte, hörte sie ihm schweigend zu, hauchte ihm dann einen Kuss auf die Wange und sagte, es habe eben jeder seine eigene Wahrheit, und alle seien gültig.
    Sie sollte Recht behalten, denn als Alex von den anderen zu erfahren versuchte, was eigentlich geschehen war, erzählte ihm jeder etwas anderes. Bruder Fernando erinnerte sich zum Beispiel nur an die Gorillas und den Elefanten, auf dem eine alte Frau gesessen hatte. Kate meinte, überall in der Luft seien strahlende Geschöpfe gewesen, unter denen sie den Lama Tensing erkannt hatte, aber das war ja nicht möglich. Joel wollte gar nichts sagen, bevor seine Filme entwickelt waren: Was nicht auf den Fotos zu sehen wäre, hätte sich nicht zugetragen. Pygmäen und Dorfbewohner beschrieben mehr oder weniger das, was er selbst gesehen hatte, angefangen bei dem Zauberer, der in den Flammen tanzte, bis hin zu den Ahnen, die um Nana-Asante herumschwebten.
    Angie hatte viel mehr wahrgenommen als Alex: Sie hatte Engel mit leuchtenden Flügeln und Schwärme bunt schillernder Vögel gesehen, hatte Trommeln gehört, den Duft eines Blütenregens geatmet und noch viele andere Wunder geschaut. Das jedenfalls erzählte sie Michael Mushaha, als der am anderen Morgen mit einem Motorboot eintraf.
    Im Camp war einer von Angies Notrufen aufgefangen worden, und Michael war unverzüglich aufgebrochen, um sie zu suchen. Da er keinen Piloten auftreiben konnte, der es gewagt hätte, in die sumpfigen Wälder zu fliegen, nahm er von Nairobi aus eine Linienmaschine in die Hauptstadt, mietete dort ein Motorboot und folgte auf gut Glück dem Fluss stromaufwärts. Begleitet wurde er von einem Regierungsbeamten und vier Gendarmen, die den Schmugglern von Elfenbein, Diamanten und Sklaven das Handwerk legen sollten.
    Nana-Asante hatte schon binnen weniger Stunden im Dorf für Ordnung gesorgt, und ihre Autorität wurde von niemandem in Zweifel gezogen. Sie versammelte Dorfbewohner und Pygmäen um sich und erinnerte sie daran, dass sie zusammenarbeiten mussten. Die Menschen von Ngoubé brauchten das Fleisch, das dieJäger lieferten, und diese würden ohne die Dinge, die sie im Dorf tauschen konnten, nicht überleben. Die Königin musste erreichen, dass die Dorfbewohner die Pygmäen achteten und dass die Pygmäen den Dorfbewohnern all das Leid verziehen, das sie ihretwegen erlitten hatten.
    »Wie wollen Sie die Menschen lehren, in Frieden miteinander zu leben?«, fragte Kate die Königin.
    »Ich fange bei den Frauen an, die sind mit Güte gesegnet.«
    ~
    Schließlich war es Zeit, Abschied zu nehmen. Kate und ihre Freunde waren erschöpft, denn sie hatten kaum geschlafen, und außer Nadia und Borobá hatten sich alle den Magen verdorben. Der arme Joel war noch dazu in den frühen Morgenstunden von Kopf bis Fuß von Moskitos zerstochen worden und unförmig angeschwollen, bekam Fieber und kratzte sich blutig. Damit niemand ihn für einen Angeber hielt, bot Beyé-Dokou ihm wie nebenbei etwas von dem grünlichen Pulver aus dem heiligen Amulett an. In weniger als zwei Stunden hatte der Fotograf seine gewohnten Ausmaße wieder. Er war ganz aus dem Häuschen und
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